#dasbrauchtdeutschland - Sechs Wählerinnen und Wähler - "Ich bin ein Gerechtigkeitsfanatiker"

Zwischen CDU und SPD kann man kaum noch einen Unterschied erkennen, sagt die 75-jährige Kioskbetreiberin Viktoria Brammer aus Kleinmachnow. Diese Überzeugung vertrat sie im Frühjahr auch gegenüber Inforadio-Reporterin Amelie Ernst. Jetzt steht die Wahl kurz bevor. Und für Viktoria Brammer ist einiges klarer geworden - auch, wen sie wählen will.  

Viktoria Brammer mag Kleinmachnow, ihren Kiosk, ihre Kunden – aber vor allem mag sie Musik: An jedem ersten Freitagabend im Monat wird ihr Kiosk zur Jazzkneipe. Es gibt Bier, Wein, Gulaschsuppe – und wer will, darf sich auch selbst ans Klavier setzen.

Da könnte man fast vergessen, dass draußen Wahlkampf ist. Nicht so Viktoria Brammer – im Gegenteil. Vor allem von der Kanzlerin ist die 75-Jährige mehr und mehr genervt: "Überall nimmt sie da ein bisschen, da ein bisschen. In der Zwischenzeit wartet sie ganz schrecklich lange ab und wartet und wartet, wie die Spinne im Netz. Und Spinnen mag ich nicht so sehr."

Für sie ist Politik oft zu unehrlich

Besonders übel nimmt Viktoria Brammer der Bundeskanzlerin, dass sie je nach Stimmung im Land alle großen Themen der anderen Parteien für sich beanspruche. Beispiel Zuwanderung: "Diese ganze Geschichte mit den Flüchtlingen. Da ist sie jetzt wieder ganz auf Seehofer eingestimmt. Die lieben sich plötzlich so sehr. Das ist alles so unehrlich und der Bürger mag das nicht mehr!"

Viktoria Brammer ist sichtlich erbost. "Bei mir kommt das hier an. Jeder sieht: ach, jetzt knutschen die sich da. Dann sollen sie mal lieber sagen, was ist und auch mal nicht gewinnen, na und?"

Auch auf der anderen Seite des politischen Spektrums, bei der Partei 'Die Linke', sieht Viktoria Brammer wenig Licht: Gysi sei ein Guter, aber Wagenknecht zu unehrlich, findet die Kioskbesitzerin. Die AfD sei schlicht ausländerfeindlich und daher unwählbar. Bei den Grünen fehlt ihr das Soziale. Und FDP-Chef Christian Lindner überzeuge zwar optisch, nicht aber mit seinen Themen: 'Digital first, Bedenken second' steht auf dem Plakat quer gegenüber von Brammers Kiosk.

"Da habe ich ein bisschen Angst davor, dass wir alle digitalisiert werden, das finde ich ganz schrecklich", sagt sie. "Für die älteren Menschen ist es ganz furchtbar, wenn ich so zum Beispiel an dieses Online-Banking denke. Ich will das einfach nicht. Wieso die Bedenken später? Ich muss erst die Bedenken haben und dann kann ich auch vielleicht sogar digitalisieren."

Sie wünscht sich eine Überraschung

Unterm Strich bleibt für Viktoria Brammer nur eine Partei übrig: Die SPD – und Martin Schulz. Obwohl sie 30 Jahre lang CDU-Mitglied war: "SPD, weil ich ein sozial denkender Mensch bin und sehe, dass ich eigentlich ein Gerechtigkeitsfanatiker bin. Ich denke, er ist noch derjenige, der eher klare Kante spricht."

Und vielleicht habe Martin Schulz ja doch noch eine Chance, hofft Viktoria Brammer. Obwohl die Umfragen Angela Merkel vorne sehen: "Ich könnte mir vorstellen, dass es sehr knapp werden kann, weil es so ganz sicher scheint. Ich wünsche es mir auch, dass es eine große Überraschung gibt."

Übersicht

#dasbrauchtdeutschland - sechs Wählerinnen und Wähler

Am 24. September wird gewählt. Wie wird die neue Regierung aussehen? Viele Bürger machen ihrem Unmut über Politik laut und öffentlich Luft. Inforadio begleitet Menschen in Berlin und Brandenburg in den Monaten vor der Abstimmung. Sechs Wählerinnen und Wähler: Die Entscheidung.