#dasbrauchtdeutschland - Göring-Eckardt - Realpolitikerin auf Stimmenfang

In 42 Tagen über 130 Termine auf einer Strecke von rund 27.000 Kilometern - das sind die Eckdaten für das grüne Spitzenduo Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt. 'Zukunft-wird-aus-Mut-gemacht'  ist das Motto. Noch mehr als Mut brauchen die beiden aber Überzeugungskraft, um die Grünen aus dem Umfragetief zu holen. Von Andrea Müller

Diesel geht natürlich gar nicht – Katrin Göring-Eckardt tourt deshalb mit einer Hybrid-Limousine durch's Land. Knallgrün, auf der Hintertür überlebensgroß ein Foto der Spitzenkandidatin. Der Wagen fällt auf in Horst in Schleswig-Holstein. Rot verklinkerte Einfamilien-Häuser, mitten drin eine alte Meierei.

Die Meierei Horst ist ein Betrieb ganz im Sinne der Grünen. Milchbauern und Konsumenten haben die Genossenschaft gegründet. Gemeinsam vermarkten sie Milch, Butter, Joghurt – alles aus der Region. Katrin Göring-Eckardt schlüpft in einen weißen Hygiene-Overall. "Sieht ja fast aus, als wären wir alle auf dem Weg zum Mond", lacht sie. "Oder Tatortreiniger!"  

Es wird viel gelacht bei diesem Rundgang. Zwei Bundestagskandidatinnen sind dabei, aber auch die örtlichen Grünen. Der kleine Tross in den weißen Anzügen zieht durch die Produktionsräume - Katrin Göring-Eckardt hört zu, fragt nach. Zum Schluss wird gekostet. Stimmen bringen solche Termine nicht. Und trotzdem stehen sie beim grünen Spitzenduo fest im Kalender: "Wahlkampf ist ja nicht Selbstzweck", sagt Katrin Göring-Eckardt, "sondern danach soll ja auch Gestaltung, hoffentlich Regierungsgestaltung folgen." Sie wolle deshalb diese Zeit nutzen, "um zu sehen, was entwickelt sich eigentlich in unserem Land."  

Sind die Grünen zu brav geworden?

Um Stimmen geht es am Abend 45 Kilometer südlich von Horst beim Town-Hall Meeting in Hamburg. 'Auf'n Schnack mit Katrin' steht auf dem Plakat. Der Kellerraum in der Zinnschmelze im Stadtteil Barmbek füllt sich. Die 75 Stühle sind schon früh besetzt. Jörn Peter spielt 'Einmannmusik', die an alte Liedermacherzeiten erinnert, Titel: "Ich bin ein Gutmensch bis zum Tod".

Die Luft in dem kleinen Raum ist stickig. 200 Leute sind gekommen, die meisten stehen – viele auch an der offenen Tür. Für Anja Hajduk, Bundestagsabgeordnete aus Hamburg ist schon der volle Saal ein Erfolg:"Liebe Katrin, welcome to Hamburg!" Die liebe Katrin steht auf einem Podium, sie trägt ein Headset. Die Grünen suchen das Gespräch mit den Bürgern. Bringt mehr als lange Reden auf großen Plätzen, sagt die Spitzenkandidatin. Vor allem ein Gespür für Erwartungen. 

Beim Thema Pflege zum Beispiel haben die Grünen ihr Programm inzwischen konkreter gefasst: "Also die Pflegekräfte, die Erzieherinnen, die kleine Selbständige, die Sozialarbeiterin, die kommen ganz oft mit ihren Fragen. Und das hätte ich nicht gedacht, dass die zu den Grünen kommen und fragen, was ist mit unserer Situation."

Göring-Eckardt wirbt um alle

Klimaschutz, Rüstungsexporte, Russland, Familienpolitik. Das Hamburger Publikum fragt viel in den 75 Minuten. Und immer wieder werden Zweifel laut: "Wofür stehen Sie heute eigentlich noch", fragt eine Hamburgerin, "sind Sie zu brav geworden?" Katrin Göring-Eckardt antwortet prompt: "Ich persönlich finde es alles andere als brav, wenn man sagt, man geht wirklich sehr zentrale Fragen fast mit einem revolutionärem Gestus an!"

Platz drei wollen die Grünen schaffen und nach der Wahl mit der Union verhandeln. Nach Revolution klingt das nicht, Langjährige Grünwähler fragen skeptisch nach. Jüngere outen sich als interessiert und unentschlossen. Katrin Göring-Eckardt wirbt um alle - auch um Ratlose und Frustrierte, "jetzt einfach noch Leute zu finden und zu suchen, die noch nicht davon überzeugt sind, was sie wählen. Ich würde mir wünschen, dass Sie 20 mitbringen!"

Jeder 20 – dieses Schlusswort ist Standard. Katrin Göring-Eckardt bringt aus Hamburg mindestens einen mit. Ein traditioneller CDU-Wähler hat ihr seine Stimme fest versprochen.

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