Verdrängung aus dem Kiez - Wer kann sich Berlin noch leisten?

"Gentrifizierung" - wenn sich ein Kiez durch den Zuzug von Besserverdienern so verändert, dass ihn sich die Alteingesessenen kaum noch leisten können. Das ist das Thema von Rainer Balcerowiak. Inforadio und die Abendschau haben ihm die Chance gegeben, darüber mit Ralf Conradi, dem Wohnungsbau-Experten der AfD, zu diskutieren.

Wer in Berlin eine Wohnung sucht, muss mittlerweile sehr tief in die Tasche greifen: 8,99 Euro pro Quadratmeter Kaltmiete kostete Wohnraum bei Neuvermietungen im Jahr 2015. Besonders in den beliebten Kiezen in der Innenstadt können nur noch Besserverdiener hinzuziehen. Es gibt Kieze, in denen sich die Mietpreise bei Neuvermietungen seit 2009 verdoppelt haben. Dass die Wohnquartiere auch ständig aufgewertet werden, ist zwar schön, für die, die es sich leisten können. Doch Menschen, die teilweise seit Jahrzehnten in ihren Kiezen wohnen, können sie sich eventuell bald nicht mehr leisten.

Ein Umstand, über den sich Inforadio-Hörer Rainer Balcerowiak sehr ärgert. Er sieht mit Grausen, wie sein Kiez in Moabit der schleichenden Gentrifizierung zum Opfer fällt. Deswegen engagiert er sich beim "Runden Tisch gegen Gentrifizierung in Moabit". Inforadio und die Abendschau haben ihn an einen Tisch mit Ralf Conradi von der AfD gestellt. Dieser ist in seiner Partei für Wohnungsbaupolitik zuständig.

Die AfD setzt auf mehr Wohneigentum

Zu Beginn der Diskussion erzählt Rainer Balcerowiak, was momentan in seinem Kiez passiert: "In der Nachbarschaft erlebe ich, dass in immer schnellerem Tempo Häuser modernisiert werden. Was ja im Prinzip nichts Schlechtes ist, aber es führt eben in sehr vielen Fällen dazu, dass sich die alten Mieter die Wohnungen nicht mehr leisten können und verlassen müssen. Und das in einem Bezirk mit dramatischen Sozialindikatoren." In der Tat gibt es Gegenden in Moabit, in denen 40 Prozent der Anwohner Hartz4 beziehen und in denen Kinder- und Altersarmut herrschen.

Ralf Conradi von der AfD hat solche Probleme nicht, er wohnt in Wohneigentum. Ein Umstand, den er sich für viel mehr Berliner wünschen würde. Deswegen will seine Partei, dass die Menschen das Geld, das jetzt in die Miete fließt, in die Tilgung eines Darlehens stecken. Damit sie das bei der Bank überhaupt bekommen, soll der Staat den Banken eine Bonitätsgarantie geben.

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"Wohneigentumsförderprogramm wäre ein Spekulations-Turbo"

Ein Vorschlag, der bei David Eberhart vom Berliner Wohnungsverband BBU, der ebenfalls mit am Tisch steht, auf wenig Gegenliebe stößt. Er sagt: "Wenn hier eine Förderung stattfinden würde, wäre das letzten Endes ein Spekulations-Turbo, weil der ohnehin schon recht stark erhitzte Berliner Markt durch so ein Programm noch mit höheren Preisen belastet würde."

Auch für Rainer Balcerowiak geht die Idee der AfD am eigentlichen Problem vorbei. Er wünscht sich, dass die Politik mehr dafür tut, um die vorhandenen Mieter zu schützen: "Ein Instrument wäre, dass man die Mieterhöhung nach Modernisierung deckelt, was in Milieuschutzgebieten im Prinzip möglich ist durch einen gebietsspezifischen Mietspiegel. Es gibt ja Modernisierungen, die angemessen sind, es geht aber darum, dass die nicht dazu führen, dass die Mieter danach aus ihren Wohnungen vertrieben werden. Dieses Instrument könnte man, wenn der politische Wille da ist, zum Einsatz bringen. Es wird aber nicht gemacht."

"Die Politik muss die Mieter schützen"

Auch die AfD würde so etwas wohl nicht tun, käme sie in Regierungsverantwortung. In ihrem Wahlprogramm lehnt sie mieterschützende Maßnahmen wie Mietpreisbremse und Milieuschutz ab und plädiert stattdessen noch für die Privatisierung der landeseigenen Wohnungen. Ralf Conradi begründet das damit, dass "solche Maßnahmen populistisch sind. Das sind die typischen Maßnahmen, die zwar gut gemeint sind, sich aber letzten Endes gegen die Beschützten kehren. Wenn wir nämlich die Möglichkeit beschneiden, Investitionen in Modernisierungen auf die Mieter umzulegen, dann werden diese Investitionen nicht mehr getätigt – und davon hat niemand etwas."

So verwundert es kaum, dass Inforadio-Hörer Reiner Balcerowiak am Ende nicht glücklich ist mit den Vorschlägen der AfD: "Mir ist ja bekannt, dass die AfD nicht unbedingt der Vertreter ärmerer Menschen und ärmerer Mieter ist. Aber ich finde diese Marktradikalität, dass man zum Beispiel, die Wohnungseigentumsquote sei 'skandalös gering', das finde ich angesichts der sozialen Situation in Berlin fast zynisch. Berlin ist eine Mieterstadt und darum muss es bei der Politik auch gehen: Die Mieter zu schützen."

Hintergrund: Regelungen der Mietpreisbremse

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