Ihr Thema: Zu wenige Erzieher - zu schlechte Bezahlung - Kann Berlin sich kostenlose Kitas leisten?

Die SPD will die gebührenfreien Kita. Doch bereits jetzt gibt es zu wenige Erzieherinnen, die Belastung ist enorm, die Bezahlung vergleichsweise schlecht. Familienvater und Erzieher Robert Lüdtke hat deswegen mächtig Bauchschmerzen bei dem Thema. Darüber diskutierte er mit Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD).

Die SPD wirbt mit der gebührenfreien Kita ab dem ersten Kita-Jahr um Wählerstimmen. Das klingt ja auch erst einmal schön: Alle Kinder sollen in die Kita können, auch wenn sich ihre Eltern die Gebühren nicht leisten können. Zumal noch zusätzliche Essensbeiträge für jedes Kind zu entrichten sind.

Doch bei einigen Eltern läuten beim Stichwort Gebührenfreiheit die Alarmglocken – und bei den Erzieherinnen und Erziehern erst recht, denn: Bereits jetzt gibt es zu wenig Betreuungspersonal, die Belastung ist enorm, die Bezahlung vergleichsweise schlecht. Die Qualität der Betreuung kann darunter nur leiden. Wie soll das besser werden, wenn auch noch weniger Geld zur Verfügung steht?

"Erst Qualität sichern - dann können wir über Gebührenfreiheit reden"

Robert Lüdtke ist als Familienvater und Erzieher in Ausbildung gleich doppelt betroffen und hat deswegen mächtig Bauchschmerzen bei dem Thema. Deswegen haben Inforadio und die Abendschau ihm die Gelegenheit gegeben, darüber mit der Herrin über die Berliner Kitas zu diskutieren: Mit Bildungssenatorin Sandra Scheeres von der SPD. Ihr gegenüber machte er zunächst klar, dass er prinzipiell nichts gegen Gebührenfreiheit hätte, die Pläne der SPD aber utopisch findet: "Wenn wir das alles bezahlen, was im Wahlprogramm der SPD steht, bleibt für die Qualität nichts mehr übrig." Vor allem der Betreuungsschlüssel, also das Verhältnis zwischen Betreuern und Kindern, liegt ihm schwer im Magen. Deswegen würde er gerne weiterhin Kitagebühren bezahlen.

Die Bildungssenatorin verteidigt die Haltung der SPD, dass Bildung nichts kosten darf: "Wir sehen die Kita als eine Bildungseinrichtung. Wir wollen die Eltern entlasten und den Zugang zur Kita öffnen. Denn es ist so, dass auch geringe Kitagebühren Eltern belasten. Es gibt Familien, die überlegen, dass dann die Frau zum Beispiel nicht arbeiten geht, weil es sich nicht lohnt, weil sie Kitagebühren zahlen müssen. Ich finde, das ist der falsche Weg."

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Unvereinbare Standpunkte bleiben stehen

Katrin Molkentin vom Landeselternausschuss Kindertagesstätten steht mit am Tisch und auch sie gibt Hörer Robert Lüdtke recht: "Wir sind auch der Meinung, dass qualitative Verbesserungen dringend notwendig sind und die Priorisierung wäre von unserer Seite auch eher in dieser Richtung erfolgt."

Sandra Scheeres hingegen berichtet von Eltern und Alleinerziehenden, die auf sie zukommen und über die finanzielle Belastung durch die Kitagebühren klagen. Sie räumt auch ein, dass sie ein Problem damit hätte, nur die Beitragsfreiheit zu finanzieren, deswegen versuche die SPD auch gleichzeitig, die Qualität zu verbessern.

Nach der Diskussion zeigte sich Hörer Robert Lüdtke enttäuscht von der Haltung der Senatorin: "Sie hat ihr Wahlkampfprogramm runtergespult. Auf  meine Bedenken ist sie nur teilweise eingegangen." Auch Katrin Molkentin vom Landeselternausschuss kann die Argumentation von Sandra Scheeres nicht nachvollziehen: "Die Alleinerziehende, die Frau Scheeres angesprochen hat, die hat ein Problem, wenn sie im November drei oder vier Mal angerufen wird, weil die Erzieher in der Einrichtung fehlen. Dann hat sie nichts davon, dass sie die 50 Euro nicht mehr bezahlt, sie hat das Problem, das Kind abholen zu müssen, weil niemand mehr die Betreuung gewährleisten kann." Und so gehen die Diskutanten an diesem Morgen sehr uneinig auseinander.

Hintergrund

Aktuelle statistische Daten zur Kindertagesbetreuung

46.331 Kinder unter drei Jahren besuchen momentan eine der derzeit 2.416 Kindertageseinrichtungen in Berlin. Das sind rund 44 Prozent der unter 3jährigen.

Kindertagesbetreuung kostet in Berlin pro Kind und Jahr 9.390 Euro. Das ist bundesweit der Spitzenwert.

Momentan kommen in Berliner Kitas durchschnittlich 6,6 Krippenkinder auf eine Erzieherin. Im Bundesdurchschnitt sind es 4,4; empfohlen wird ein Verhältnis von 3:1.

Das durchschnittliche Erzieherinnengehalt in Berlin bei Vollbeschäftigung wird auf 2.177 Euro brutto im Monat geschätzt. Im Bundesdurchschnitt sind es 2.331 Euro.

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