Vater mit Kindern, Diakonie Kreuzberg, Berlin, Foto und Copyright: rbb/Freiberg

Überforderte Städte - Kein Platz für Flüchtlinge? - Die Not ist immer einen Schritt voraus

Seit 2011 hat sich die Zahl der Flüchtlinge in Berlin vervierfacht. Bei der für die Unterbringung der Menschen zuständigen Behörde - dem LaGeSo - hat sich aber die Zahl der Mitarbeiter lediglich verdoppelt. Die Mitarbeiter in der Sozialverwaltung arbeiten "am Anschlag" – dennoch sind sie vielfach überfordert.

"Das ist die Rezeption. Jetzt haben wir Wäscheausgabe, einmal in der Woche. Wer will, kann seine Bettwäsche bringen und kriegt frische." Heimleiterin Christa Gunsenheimer führt durch ihr Haus. Ein alter Backsteinbau. Einst als Waisenhaus eröffnet, ist es nun seit Jahren Zufluchtsort für Flüchtlinge. Heute leben in dem Diakonie-Heim 147 Menschen, die vor allem aus Syrien, dem Irak und Afghanistan stammen. 147 von rund 23.000, die in Berlin Obdach gefunden haben – vor allem in Sammelunterkünften: in Sporthallen und Heimen.

Diakonie Kreuzberg, Berlin, Totale, Foto und Copyright: rbb/Freiberg
Das Flüchtlingsheim der Diakonie in Berlin-Kreuzberg

Als 2012 der Ansturm der Flüchtlinge begann, war Berlin unvorbereitet.  Das für die Unterbringung der Flüchtlinge zuständige "Landesamt für Gesundheit und Soziales" (LaGeSo) war mit dem Problem überfordert. Es fehlten nicht nur Unterkünfte, es fehlte auch Personal, um all die Hilfebedürftigen zu registrieren, zu verteilen und um die Arbeit der Heimbetreiber kritisch zu begleiten. Auch im Heim von Christa Gunsenheimer werden die Qualitätsstandards seltener kontrolliert, sagt sie: "Ich denke schon, dass das LaGeSo am Rand seiner Kapazität ist und dass diese Kontrollen deshalb nicht durchgeführt werden können, so wie sich das LaGeSo das auch wünscht."

Damit kein Flüchtling auf der Straße stehen musste, vergab das LaGeSo die Sanierung, den Bau und den Betrieb von Flüchtlingsunterkünften häufig "hemdsärmelig": ohne Ausschreibung, manchmal sogar ohne Verträge. Bewährte Non-Profit-Unternehmen wie die  gemeinnützige Diakonie konnten den Bedarf alleine nicht decken. Deshalb kamen auch private Unternehmer ins Spiel. Sie sind inzwischen sogar "Marktführer". Christa  Gunsenheimer weiß, warum: "Wenn sie jemand haben, der vielleicht auch noch eine Baufirma hat, dann ist das klar, dass der den Zuschlag bekommt, vor allem wenn sie nicht so tariflich gebunden sind, sag' ich mal."

Seit Monaten wird in Berlin diskutiert, ob private Betreiber beim Geschäft mit den Flüchtlingen richtig Kasse gemacht haben. Wie einträglich diese Geschäfte sind, ist ein Geheimnis. Wer wieviel für welche Leistung bekommt, ist völlig intransparent. Und der Datenschutz – er schützt die  Verabredungen des Amtes mit der "Flüchtlingswirtschaft". Nicht einmal das Landesparlament hat hier Einblick.

Es hagelte Kritik, auch deshalb änderte der Senat vor kurzem seine Strategie: Er will nun selbst Bauherr werden, will freie Gebäude sanieren und Flüchtlingsunterkünfte bauen. Sechs Containerdörfer sind geplant. Kosten: über 40 Millionen Euro. Erst nach dem Bauen folgt die Suche nach einem zuverlässigen Betreiber. 5.000 Plätze sollen so 2015 entstehen, aber 20.000 Flüchtlinge werden erwartet.

Gunsenheimer, Diakonie Kreuzberg, Berlin, Foto und Copyright: rbb/Freiberg
Christa Gunsenheimer ist die Leiterin des Diakonie-Heimes in Kreuzberg.

Am billigsten wäre es, Flüchtlinge in Wohnungen unterzubringen. Diakonie-Heimleiterin Christa Gunsenheimer hofft, dass auch die städtischen Wohnungsbaugesellschaften mehr tun als bisher: Denn die haben pro Jahr nur 275 Wohnungen für Flüchtlinge zur Verfügung gestellt. "Das ist ein großer Wunsch", sagt sie, "und es würde auch die Situation der Heime erheblich entlasten und die Situation der Flüchtlinge, die schon sehr beengt ist, erheblich verbessern."

Denn eins steht fest: Es werden immer mehr Flüchtlinge, im Großen wie im Kleinen. In Christa Gunsenheimers Heim in Kreuzberg beispielsweise sind es inzwischen 148: Eine Frau aus Syrien hat in der vergangenen Nacht ihr Baby bekommen.

Zurück zur Übersicht

Themenschwerpunkt - Überforderte Städte - Kein Platz für Flüchtlinge?

Deutsche Großstädte sind von den hohen Flüchtlingszahlen besonders betroffen. Nach einer gemeinsamen Recherche von Inforadio und ZEIT ONLINE in den Städten Berlin, Hamburg und Köln gibt es derzeit keine Lösungen, wie Flüchtlinge schnell und angemessen untergebracht werden können. Berlins Integrationssenatorin Kolat räumte ein, dass es schwierig sei, im selben Tempo neue Unterkünfte zu errichten, wie die Zahl der Flüchtlinge wachse. Sozialsenator Czaja sieht in der Hauptstadt allerdings durchaus Fortschritte bei der Unterbringung von Flüchtlingen.