Mann mit Sony VR Brille (Bild: imago/Xinhua)
Bild: imago stock&people

- Ein Ausflug in die Virtual Reality

"Das vernetzte Ich" wird mit immer neuen Realitäten konfrontiert. Zum Beispiel mit der "Virtual Reality" – eine Technologie, die besonders unter Computerspielern viele Freunde hat. Bisher gibt es nur wenige Firmen, die "Virtual Reality" herstellen. Eine davon ist die Trotzkind GmbH in der Klosterstraße in Berlin Mitte. Oliver Soos hat den Sprung in die virtuelle Wirklichkeit gewagt – und war ziemlich beeindruckt.

"Virtual Reality" guckt man sich nicht an, man besucht sie - sagt Sven Haeberlein und drückt mir eine dieser berühmten "Virtual Reality Brillen" in die Hand: "Einfach aufziehen und hinten runter ziehen. Ist zu eng?" Ja, sie drückt tatsächlich ein bisschen. Ich habe so eine Brille zum ersten Mal auf und dann geht es auch schon los und ich bin erst einmal ziemlich baff.

Das Gehirn wird ausgetrickst, ich vergesse ziemlich schnell, dass ich eigentlich in einem karg eingerichteten Büro, mit weißen Wänden stehe. In meiner Welt ist es Nacht. Ich bin irgendwo draußen. Alles sieht schon ziemlich echt aus. Man hat das Gefühl, man könnte in diese Welt hinein rennen. Wenn ich meinen Kopf hebe, sehe ich einen Sternenhimmel. Zu meiner Linken sehe ich etwas weiter hinten einen großen Baum und eine Höhle. Vor mir befindet sich eine Mauer – eine voll-gesprayte Mauer. Die Berliner Mauer, mutmaße ich.

Vor mir sitzt ein Mann. Er will etwas von mir: "Come here, i want to show you something. Can you trust your eyes? Can you see that? That is just an illusion." Alles nur eine Illusion also.

"Du kannst dich hier frei bewegen", erklärt mir Sven, "nur nicht durch das Gitter durchgehen. Und du kannst natürlich auf frei umsehen." Er drückt mir einen Controller in die Hand, in meiner Welt ist das eine leuchtende Taschenlampe. Ich sehe jetzt das Ende der Mauer, laufe vorsichtig ein paar Meter nach vorne und beuge mich um die Ecke. Ich leuchte mit der "Taschenlampe" und sehe eine Wiese.

Was wohl Sven gerade sieht? vermutlich einen Mann mit Brille, der im Zimmer umhertappst und komische Verrenkungen macht.

Nun sehe ich das Gitter, das Sven erwähnt hat. Ich muss zurück, ansonsten würde ich in der realen Welt an die Wand des Büros stoßen.

Lasersignale tracken den Raum

Ich setze die Brille ab, um mir genauer anzusehen, wo ich mich in der realen Welt bewegt habe: Es ist eine fünf Quadratmeter große freie Fläche, an den Wänden sind kleine leuchtende Boxen angebracht, die auf mich gerichtet sind. "Das sind Lighthouse Base Stations, erklärt mir Sven. "Ich glaube, das kommt irgendwie aus der Schifffahrts-Navigation oder so was. Und die senden eine Art Lasersignal hier durch den Raum. An der Brille und an dem Controller gibt es Empfänger, die sehen können, wo diese Signale auftreffen und dadurch können sie den Raum scannen oder tracken."

Das Programm erkennt mit Lasersignalen, wo ich mich bewege und ich bekomme die Virtual Reality - Szenen auf die auf Brille gespielt. Die Software ist sehr komplex und funktioniert nach dem Prinzip der Photogrammetrie: "Wir brauchen dreidimensionale Daten, wir haben von Objekten ganz viele Fotos gemacht und der Computer versucht, anhand dieser Fotos und anhand von Markerpunkten, wo er sich überlegt hat: wo war wohl dieses Foto, als es gemacht wurde?, hat er angefangen, so ein 3D-Objekt darauf zu erzeugen."

Sven Haeberlein ist eigentlich Regisseur und Drehbuchautor. Zusammen mit dem Informatiker und Kameramann, Nico Nonne, hat er vor zwei Jahren die Trotzkind GmbH gegründet. Bekannt geworden sind die beiden durch ein Projekt mit dem ZDF und dem Medieninnovationszentrum Babelsberg: sie haben eine dreidimensionale Heute Sendung produziert, bei der die Zuschauer zur virtuellen Nachrichtensprecherin ins Studio steigen konnten.

Sven setzt mir noch einmal die Brille auf den Kopf und ich tauche ein in ein Computerspiel. In der Ferne sehe ich einen Vulkan, in dem offenbar jemand Böses wohnt, den ich aber besiegen kann, wenn ich ihn mit der richtigen Waffe beschieße. Vor mir steht ein virtuelles Katapult, daneben liegt eine große Steinkugel. Die versuche ich mit meinem Controller hochzuheben. Er vibriert und ich habe das Gefühl, als ob ich das Gewicht der Kugel fühlen kann. Ein ziemlich krasser Effekt.

"Du kannst mal die Kugel in die Schleuder vor dir legen", schlägt Sven vor. "Und dann kannst du den Griff nehmen." Während ich den Griff des Katapults nach hinten ziehe, vibriert mein Controller und ich fühle tatsächlich den Widerstand. Ich lasse los und das Katapult schleudert die Steinkugel auf die Vulkanburg - zu kurz, offenbar muss man mit dem Katapult ein bisschen weiter nach oben zielen. Treffer, der Vulkan spuckt Lava.

Sven erzählt, dass diese Programme meistens Prototypen sind. Virtual Reality steht noch relativ weit am Anfang, nur wenige Kunden haben sie bislang für sich entdeckt. Zudem ist die Entwicklung der Software aufwendig und dauert sehr lange. Die Trotzkind GmbH hat einzelne Programme für Industrieunternehmen produziert und für einen chinesischen Spielhallenbetreiber.

Sven zählt zu den Pionieren in Deutschland, er sieht seine Aufgabe auch darin, das ganze Feld "Virtual Reality" mit weiterzuentwickeln, in den verschiedensten Bereichen. Er sieht uns aber schon auf der Schwelle von einer zweidimensionalen Medienwelt hin zu einer dreidimensionalen: "Grade wenn ich jetzt an den Journalismus denke, dann war ja schon dessen Ziel immer, den Leuten das Gefühl zu geben, mittendrin zu sein in der Story. Ich glaube, dass es in Zukunft, wenn es die entsprechenden Möglichkeiten gibt, diesen Content einfacher zu produzieren – und das ist ja die Grundvoraussetzung -, dass man Dokumentationen, Reportagen macht, in denen sich die Leute bewegen können. Da ist ja dann auch noch die Frage der künstlichen Intelligenz, also wenn ich da vielleicht Personen, Charaktere habe, müssen die vielleicht auf mich reagieren." Es gab bereits erste 3D-Reportagen, in denen die Zuschauer die Schrecken des syrischen Bürgerkriegs eindrucksvoll erleben konnten.

Das nächste Projekt: Virtual Reality Live Escape Games

Wir sind jetzt im Keller unter dem Büro, hier befindet sich das "Exit Live Escape Game". In verschiedenen Räumen sind verschiedene Szenarien aufgebaut. Gruppen von Spielern werden dort eingesperrt und müssen gemeinsam Rätsel lösen. Wir stehen in einer ziemlich gruseligen Küche, mit blutverschmierten Wänden. Auf dem Tisch liegt ein Beil.

Es ist kein Zufall, dass die Trotzkind GmbH im selben Haus untergebracht ist, erzählt Sven, schon bald soll es ein gemeinsames Projekt geben: "Unser Ziel ist es, das Prinzip von Live Escape Games in die virtuelle Realität zu übertragen. Jeder kommt in seinen eigenen Raum, kann sich eine Virtual Reality – Brille aufsetzen, hat eine Fläche, auf der er sich bewegen kann. Gemeinsam in der Gruppe kriegt man eine Aufgabe. Also man ist zwar in physisch getrennten Räumen, aber virtuell ist man zusammen."

Die Spieler sehen sich dann gegenseitig als Avatare und können über diese miteinander sprechen. Ich gucke auf die blutverschmierte Wand vor mir und überlege, was in so einem Virtual Reality Life Escape wohl alles passieren kann. Doch Sven beruhigt mich: "Ich kann verraten, dass es darum gehen wird, dass man auf einen Planeten geschickt wurde, um einen Roboter zu bergen und dass dieser Roboter dann eine große Überraschung in sich birgt."

Für wen das spannend klingt, der kann sich mit der Trotzkind GmbH in Verbindung setzten. Sven sucht ab Februar Freiwillige, die das neue Spiel testen wollen.