Röntgenbild eines menschlichen Schädels und Mikrochip (Bild: imago/Ikon Images)
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Das vernetzte Ich - Wie Big Data die Medizin umkrempeln wird

Ob beim Kardiologen oder Gynäkologen, in Krankenhäusern und Laboren - wo immer wir in Gesundheitsdingen Hilfe suchen, kursieren Tausende Daten über uns. Sinnvoll vernetzt retten sie Leben. Auch wir selbst vermessen unsere Fitness, den Puls, unser Gewicht und teilen das alles dem world wide web freimütig mit. Big Data in der Medizin - eine große Chance, aber mit Risiken, wie Reporterin Anna Corves berichtet.

Nehmen wir die DNA: Vor 13 Jahren wurde das menschliche Genom erstmals vollständig kartiert- heute bekommt Jedermann für gerade mal 150 Dollar sein entschlüsseltes Erbgut frei Haus. Anderes Beispiel: google forscht an einer smarten Kontaktlinse für Diabetiker - ein Sensor in der Linse misst den Zuckerspiegel in der Tränenflüssigkeit, ein Mikrochip sendet die Daten ans Smartphone des Patienten.

Die Medizin ist ein unendlicher Datenpool - auf den der Bürger immer öfter Zugriff hat. Glücklicherweise, findet Shari Langemak, Ärztin und Vordenkerin im Bereich "Digital Health": "Die Digitalisierung ermöglicht dem Patienten, eine wichtige Rolle in seiner eigenen Gesundheit einzunehmen und nahezu ebenbürtig mit dem Arzt Entscheidungen zu treffen – als Team für seine eigene Gesundheit."

Die vielen Daten - ob über Erbmasse oder Lebenswandel - bergen auch die Chance auf bessere Therapien, davon sind Medizinexperten überzeugt: Der einzelne Patient kann passgenauer behandelt werden. Und die Forschung profitiert: Daten über Krankheitsverläufe und Therapien können weltweit vernetzt werden. Großrechner helfen, sie auszuwerten: "Es gibt zum Beispiel IBM Watson, der analysiert sehr viele Studien im Bereich Krebstherapie derzeit. Er analysiert in etwa 100 neue Studien im Monat zu Tumorgenen und gibt dann Ärzten Hinweise, welche Therapien bei einem bestimmten Gen, das man in einem Tumor bei einem Patienten findet, gut wirken kann."

Die Idee einer genossenschaftlich organisierten Datenbank

Der Arzt behandelt also auf dem neuesten Stand der Forschung. Die Chancen der Datenflut für die Medizin, so Langemak, überwiegen ihre Risiken - die es aber zweifelsohne gibt. Denn während die staatlichen Instanzen auch wegen des Datenschutzes noch mühsam an der elektronischen Gesundheitskarte herumdoktern, haben Großkonzerne längst Fakten geschaffen - sagt Ernst Hafen von der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich. Sie stellen uns Apps zur Verfügung, die wir mit unseren sensibelsten - und lukrativen - Daten über unsere Lebensgewohnheiten füttern. Hafen setzt sich für ein radikal anderes Modell ein: "Dass wir die Kontrolle über unsere Daten bekommen. Nur ich kann meine Genom-Daten, meine medizinischen Daten, meine Einkaufsdaten im Supermarkt miteinander verbinden. Ich habe ein Datenkonto, genauso wie ich ein Bankkonto habe. Wir argumentieren, dass das bei einer genossenschaftlich organisierten Datenbank sein will, wo die Gewinne wieder zurück zur Gesellschaft kommen."

Der Bürger selbst entscheidet, wann und wem er seine Daten, zum Beispiel über seine Krebserkrankung, wofür zur Verfügung stellt. Zu seinem eigenen Nutzen und dem der Forschung. Aber: kann das funktionieren, die gute alte Genossenschaft als Gegenmodell zur Digitalmacht von google & Co. ? "In der Schweiz haben wir die erste genossenschaftlich organisierte Datenbank errichtet, die Plattform steht, die wurde durch drei Sicherheitsfirmen getestet und die ersten Patienten haben jetzt in einer kleinen Pilotstudie ihre Daten auf dieser Plattform."

Auch in Berlin wird über ein Testprojekt nachgedacht. Es ist ein Anfang, ein Versuch, der privatwirtschaftlichen Datenmacht eine demokratische Alternative entgegenzusetzen.

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Arzt benutzt Tablet PC mit verschiedenen medizinischen Apps (Bild: imago/Ikon Images)
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Das vernetzte Ich - Diagnose per App

Unsere Gesellschaft wird in den kommenden Jahren dramatisch altern. Wird das die Katastrophe für unser Gesundheitssystem? Werden unsere Ärzte mit ihren Behandlungen nicht mehr hinterherkommen? Nicht unbedingt - denn mit den Problemen wachsen auch die technologischen Lösungen. "Das vernetzte Ich" wirft am Mittwoch einen Blick auf die digitale Medizin der Zukunft.  

Motivbild "Das vernetzte ich" (Bild: Colourbox)

Ein Blick in unsere digitale Zukunft - Das vernetzte Ich

Inforadio schlüpfte in den Forever-Young-Anzug, ließ Nano-Bots den Kampf gegen Krebs gewinnen und brachte Computer zum Nachdenken:  Big Data hat gerade erst angefangen, unser Leben komplett zu verändern. Daten sind das neue Geld, Mini-Roboter forschen in unserem Körper nach Krankheiten, Unis gibt es nur noch im Netz und Avatare lenken unsere Politik. Zukunftsmusik? Nicht wirklich! Smartphone war gestern - was bringt die Zukunft für "Das vernetzte Ich"? Das haben wir uns während der vergangenen zwei Wochen im Inforadio gefragt. Hier finden Sie alle Beiträge, Interviews und Reportagen noch einmal zum Nachhören- und lesen.