TAGESSPIEGEL-Autorin Tatjana Wulfert
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Vis à vis - Nachruf-Autorin Wulfert: "Jedes Leben ist erzählenswert"

Seit fast 25 Jahren erinnert der Berliner Tagesspiegel mit Nachrufen an ganz normale Berlinerinnen und Berliner. Die Journalistin Tatjana Wulfert schreibt solche Nachrufe. Von Sylvia Tiegs

Öffentliche Nachrufe sind meistens Prominenten vorbehalten: Schauspielern, Politikerinnen, oder Wissenschaftlern. Die Zeitung TAGESSPIEGEL hat das vor fast 25 Jahren geändert: Hier erscheinen an jedem Wochenende Nachrufe auf ganz normale Berlinerinnen und Berliner. Die Journalistin Tatjana Wulfert gehört zum Autoren-Team für diese Porträts. "Wir machen das, um über Menschen zu erzählen, über die ansonsten nichts erzählt werden würde", sagt sie und fügt hinzu: "Jedes Leben ist erzählenswert."

"Das Unscheinbare ist das, worum es mir geht"

 

Am liebsten schreibt sie über "Omis, die sich den ganzen Tag aus dem Fenster lehnen […]. In diese Wohnungen hineinzugehen, ein bisschen in diese Leben hineinzuschauen und all diese Details zu erzählen, die sich sonst niemand sagt. Das herauszuhören, natürlich auch die großen Dramen eines Lebens, das gehört natürlich auch dazu. Aber dieses Unscheinbare, das ist eigentlich das, worum es mir am allermeisten geht."

An die Verstorbenen kommt Wulfert in der Regel dadurch, dass sich die Nachkommen von Verstorbenen melden und einen solchen Nachruf wünschen. "Dann gibt es ein erstes Telefonat und dann sitzt man, manchmal nur mit einer Person, manchmal mit acht, neun. […] Oder die Gespräche sind geteilt, man spricht erst mit einer Person, dann mit einer anderen Person."

"Das ist eine sehr intime Situation"


Dabei entsteht oft eine sehr besondere Situation, erzählt die Autorin: "Ich kenne die Leute nicht. […] Ich latsche tatsächlich in ein Wohnzimmer, in ein Leben, setze mich dahin. […] Das ist eine sehr intime Situation. Und das funktioniert erstaunlich gut. Es gibt kaum Hürden. Ich erinnere mich an ältere Männer, die sehr zurückhaltend, sehr brummig sind. Nach 20 Minuten brummt keiner mehr."

Wie Tatjana Wulfert ihre sehr besondere Art, zu schreiben, entwickelt hat, welche Beschwerden und Dramen es im Rahmen ihrer Arbeit schon gab und wie sich durch die Arbeit ihr eigenes Verhältnis zu Tod und Sterben verändert hat, erzählt sie im Vis à vis mit Sylvia Tiegs.