Eine Person hält die Urschrift des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland in den mit weißen Handschuhen überzogenen Händen.
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Vis à vis - Sollen wir uns für das Grundgesetz interessieren, Prof. Waldhoff?

Das Grundgesetz wird am Donnerstag (23.05.) 75 Jahre alt. Was macht das Grundgesetz aus und was hat es mit Umzugskisten gemeinsam? Das bespricht Susann Reichenbach mit dem Juristen, Prof. Christian Waldhoff von der Humboldt-Universität in Berlin.

 

"Es wäre gut und wichtig - und da sehe ich Defizite - wenn das Grundgesetz insgesamt bekannter, populärer und tiefer akzeptiert wäre", sagt der Jurist und Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin, Christian Waldhoff. Viele wüssten nichts Konkretes über das Grundgesetz. Dagegen sei die Vefassung in den USA populärer und werde mehr wertgeschätzt. "Fast jeder Amerikaner kennt die Menschen, die die Verfassung geschaffen haben", betont der Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht und Finanzrecht. In den USA existiere eine breite Verfassungskultur, die es in Deutschland so nicht gebe.

Es habe auch einen Grund, warum alle Mitglieder des Parlamentarischen Rates, der das Grundgesetz verfasst hat, Anfang bis Mitte 50 waren. Keines der Mitglieder habe durch den Nationalsozialismus zwischen 1933 und 1945 belastetet sein sollen. "Die führenden NS-Funktionäre waren unglaublich jung. Die fielen für den Parlamentarischen Rat aus", sagt Waldhoff. Die Mitglieder seien Demokraten aus der Weimarer Republik gewesen und in Hinblick auf den Nationalsozialismus unbelastet. "Sie waren geeint in dem Bemühen, eine wirklich demokratische Verfassung zu schaffen."

Waldhoff: "Das Wichtigste des Grundgesetzes steht am Anfang."

 

Die wichtigste Stelle des Grundgesetzes sei für ihn Artikel 1, Absatz 1, Satz 1: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Das sei ein Programmsatz, der alles zusammenfasse, was dann komme. "Im Gegensatz zur Weimarer Reichsverfassung von 1919 wurden die Grundrechte nach vorne gestellt", erklärt der Jurist. Dagegen hätten sie in der Weimarer Verfassung noch am Ende gestanden. Es habe 1919 mit dem begonnen, wie der Staat organisiert werden sollte und welche Staatsorgane welche Aufgaben erfüllen sollten. Das habe man 1949 umgedreht, so Waldhoff.