Vis à vis - Carsten Schermuly: Chancen und Grenzen von New Work
Unter den Begriff "New Work" fallen viele verschiedene Methoden, sagt der Wirtschaftspsychologe Carsten Schermuly im Gespräch mit Anja Dobrodinsky. In zwei Büchern beschreibt er die positive Wirkung von "New Work" für Unternehmen und Beschäftigte - und wie der Begriff andererseits auch missbraucht werden kann.
Mobbing, Überwachung, Stress - das ist Alltag bei Firma Kaltenburg. Und damit nicht alle kündigen, versucht die Firma es mit "New Work“, einem neuen Verständnis von Arbeit. Es geht um Fragen wie: "Hat meine Arbeit einen Sinn?" oder "Wie kann ich mitbestimmen?". Der Kaltenburg-Plan geht schrecklich schief, aber zum Glück ist das Unternehmen nur eine Erfindung - von Wirtschaftspsychologe Carsten Schermuly. In seinem neuen Buch "New Work Dystopia" beschreibt er drastisch, was passieren könnte, wenn dieses neue Verständnis von Arbeit falsch eingesetzt oder missbraucht wird.
"New Work" - zwischen Kapitalismus und Kommunismus
Beim Schreiben habe er kein reales Unternehmen vor Augen gehabt, sagt Schermuly, der als Professor an der Berliner SRH Hochschule arbeitet. "Ich bin nur so erschrocken, dass mich jetzt schon so viele Leserinnen und Leser angeschrieben haben, dass sie so etwas kennen: diese organisationalen Voraussetzungen, die im Unternehmen Kaltenburg vorherrschend sind, diese Aggressivität, diese Art von Bürokratie, diese Hierarchie."
Vor rund einem Jahr hatte der Wirtschaftspsychologe den Gegenentwurf veröffentlicht: sein Buch "New Work Utopia". Darin beschreibt er die positiven Effekte, die neue Arbeitsweisen haben können. "Die Ursprünge hat der Begriff im 20. Jahrhundert, in den 1970er bis 1980er Jahren", erklärt er. Ein Philosophieprofessor aus den USA habe "New Work" geprägt, als er auf der Suche nach einem Mittelweg zwischen Kapitalismus und Kommunismus war.
Beide Seiten können profitieren
"Heute ist es fast ein Containerbegriff, wo jeder reinschmeißt, was er möchte und vor allem auch rausholt, was er möchte", sagt Schermuly. "Für mich sind New Work Maßnahmen, die zum Ziel haben, das psychologische Empowerment zu befördern." Es gehe darum, während der Arbeit Sinn, Selbstbestimmung, Einfluss und Kompetenz zu erleben.
Das würde bei Menschen zu pro-aktiven Verhaltensweisen führen, die dabei helfen, die "Besonderheiten in dieser dynamischen Wirtschaftswelt gut und gesund zu bewältigen", erklärt der Psychologe. Wenn "New Work" gut funktioniere, würden Unternehmen und Beschäftigte gleichermaßen profitieren. Denn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer seien zufriedener, würden den Job nicht so häufig wechseln, seien weniger gestresst, innovativer und gingen sogar später in Rente. Das sei für beide Seiten sehr förderlich.
Das Vis à Vis ist eine Wiederholung und lief erstmals im Mai 2023.