Vis à vis - Thomas Spinrath: Outing in der katholischen Kirche
Über ein Jahr ist das gemeinsame Coming-out katholischer Gläubiger in der ARD-Dokumentation "Wie Gott uns schuf" her. 100 Menschen im Dienst der katholischen Kirche, die sich als nicht-heterosexuell definieren, wagten den Schritt in die Öffentlichkeit. Thomas Spinrath berichtet von berührenden Reaktionen. Von Ulrike Bieritz
Der Coming-out-Schritt an die große Öffentlichkeit habe für ihn persönlich gar nicht so viel Mut erfordert, sagt Thomas Spinrath, der damals ehrenamtlich in der Kolpingjugend tätig war. "Ich hatte schon in den Jahren zuvor damit begonnen, in diesem katholischen Umfeld sehr viel offener damit umzugehen", erzählt er. "Ich habe mich schon im queer-katholischen und queer-interreligiösen Aktivismus bewegt." Vor allem für die kleineren Schritte dorthin habe er Mut gebraucht.
Positive Reaktionen
Mit der enormen öffentlichen Wirkung der Kampagne #outinchurch und der ARD-Doku habe er gar nicht unbedingt gerechnet, als er sich entschlossen hatte mitzumachen, so Spinrath. Er persönlich habe sehr positive und berührende Reaktionen erlebt. "Es haben sich zum Beispiel Leute aus meinem schulischen Umfeld gemeldet, mit denen ich sechs oder sieben Jahre gar keinen Kontakt mehr hatte. […] Und das war schön - weil viele mir gesagt haben: Du gibst auch meiner Erfahrung eine Stimme."
Niemand verlor den Job
Das Outing der Teilnehmenden hatte keine beruflichen Konsequenzen für die Teilnehmenden - niemand verlor den Job. Die Größe der Kampagne habe sicherlich einen gewissen Schutz geboten, meint der junge Mann. Für ihn gehe die Frage nach einem Leben von queerer Vielfalt aber ohnehin über die Kirche hinaus. "Es ist ja mehr als eine rein katholische Frage", sagt Spinrath, der inzwischen aus der Kirche ausgetreten ist. "Es ist eine gesamtgesellschaftliche Frage, die wir uns stellen müssen."