Sabine Werth, Gründerin der Berliner Tafel steht in ihrem Büro.
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Vis à vis - Sabine Werth: Tafel Berlin bekommt weniger Spenden

Die Berliner Tafel feiert an diesem Dienstag ihr 30-jähriges Bestehen – es war die allererste Tafel in Deutschland. Treibende Kraft damals war Sabine Werth und ist es bis heute geblieben. Wie alles anfing, über politische Verantwortung und die aktuellen Herausforderungen spricht Werth mit Matthias Bertsch.

In Deutschland gibt es inzwischen fast 1.000 Tafeln - angefangen hat alles in Berlin, vor genau 30 Jahren. Sabine Werth war damals Mitglied des Vereins "Initiativgruppe Berliner Frauen"und wollte gemeinsam mit ihren Mitstreiterinnen etwas für Obdachlose tun. Ein Zeitungsartikel über Ehrenamtliche in New York, die abends nach Empfängen Essensspenden für Menschen ohne festen Wohnsitz sammelten, brachte sie auf die Idee, das auch in Berlin zu tun.

"Dann haben wir uns gefragt, wie wir das Ganze nennen können", erzählt Werth. "Dann war ganz schnell klar 'Berliner' als ganz direkten Bezug zur Stadt und 'Tafel': Wir wollten denen eine Tafel decken, die es sich sonst nicht leisten können." Die Frauen luden alle Obdachlosenorganisationen der Stadt ein und erzählten ihnen von der Idee. Nur zwei hatten politische Bedenken. "Da haben wir uns gedacht: Der Schnitt ist gut - und haben angefangen."

Zahl der Bedürftigen rasant gestiegen


Die ersten Lebensmittel sammelten die Frauen auf dem Fruchthof in der Beusselstraße und bei Bäckereien in Buckow, Britz und Rudow, sagt Werth. "Als wir dann angefangen haben, Discounter und Supermärkte anzusprechen, war regelmäßig die Reaktion: Wie? Ihr wollt unseren Müll?" Da habe man sich erst einmal aneinander gewöhnen müssen.

Inzwischen nutzen längst nicht nur Obdachlose die Tafel - und der Verein ist aktuell mit zwei großen Herausforderungen konfrontiert, berichtet die Mitgründerin. "Wir haben natürlich die gestiegene Zahl der Kundinnen und Kunden extrem gemerkt", sagt sie. "Im letzten Jahr waren es in manchen Ausgabestellen mal locker 100 Prozent - und mehr. Wir kommen da natürlich an unsere Grenzen."

Außerdem würden weniger Lebensmittel gespendet. "Wir bekommen wirklich sehr viel weniger Obst und Gemüse als früher", sagt Werth. "Das liegt daran, dass das Thema Lebensmittelverschwendung inzwischen wirklich überall angekommen ist, auch bei den Firmen. Die disponieren anders." Dennoch machen Werth und alle anderen Ehrenamtlichen selbstverständlich weiter. "Wir nehmen das, was wir gespendet bekommen - und wir haben es inzwischen ganz gut raus, die Firmen direkt anzusprechen", sagt sie.

Das Vis à Vis ist eine Wiederholung aus dem Februar 2023.

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