Deutschlands Thomas Müller schlägt die Hände vor dem Gesicht zusammen
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100 Sekunden Leben - Im Oarsch

Über die Niederlage der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Österreich ist unser Kolumnist Thomas Hollmann noch nicht hinweggekommen. Er befürchtet: Das 0:2 von Wien wird das Leben junger Deutscher nachhaltig verschlechtern.

Ich habe schon in einigen Ecken dieser Welt Fußball gespielt. Im Senegal, auf Kuba, in Texas, in New York, in London, in Paris. Gegen Chinesen habe ich gespielt, gegen Bolivianer, gegen Algerier. Ich bin einfach in den Park gegangen oder an den Strand und habe gefragt, ob ich mitkicken darf

Meine Mitspieler wollten immer wissen, wo ich herkomme. „Oh, Germany!“. Und niemand beschwerte sich darüber, dass ich ungefragt die Mittelstürmer-Position übernahm, die auf der ganzen Welt die beliebteste ist. Im Gegenteil: Ich hatte den Eindruck, von mir wurde erwartet, den Ball möglichst schnörkellos ins Tor zu treten.

Denn dafür waren deutsche Fußballer jahrzehntelang berühmt und noch mehr berüchtigt: nicht schön zu spielen, dafür effizient. Also bekam ich, egal auf welchem Kontinent, den Ball zugepasst, den ich mit einer gewissen Selbstverständlichkeit, weil so von mir verlangt, über die Linie drückte. Und als ich mich verabschiedete, nickten mir meine Mitspieler anerkennend zu. Ich habe mich dann immer ein wenig wie ein deutscher Botschafter gefühlt, der die Werte von Gerd Müller in die Welt trägt.

Am Dienstagabend in Wien haben die österreichischen Fans gerufen: „Der DFB ist so im Oarsch“. Das hat mir weh getan. Nicht, weil ich den DFB so toll finde. Und auch nicht, weil der Fußball möglicherweise stellvertretend zeigt, dass hierzulande noch mehr im Oarsch ist. Mir tun die jungen Deutschen leid, die neuerdings als verhöhnte Bittsteller die Welt bereisen und ins Tor müssen. Wenn sie denn überhaupt mitspielen dürfen.

Ich fürchte, der deutsche Fußball hat seine beste Zeit hinter sich. Und vielleicht auch Deutschland. Und ich kann mich gerade nur wenig darüber freuen, dass ich diese beste Zeit miterlebt habe.