Eine Schaufel steckt in Blumenerde.
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100 Sekunden Leben - Asche zu Asche, Blumenerde zu Blumenerde

Buß- und Bettag, Volkstrauertag … der November bietet viele Gelegenheiten, über die Vergänglichkeit nachzudenken. Auch unsere Kolumnistin Doris Anselm tut das – denn sie hat einen Fund gemacht, der praktisch die Vergänglichkeit in Person ist.

Vermutlich besteht der Berliner Boden da, wo er nicht asphaltiert oder gepflastert ist, inzwischen zum großen Teil aus einem Substrat von zerbröselten Bettgestellen, zermahlenen Schnapsflaschen und zerriebenen Gehäusen alter Fernseher. Bei Spaziergängen rechne ich stets mit Fundstücken aller Art, überraschen kann mich kaum noch was. Bis neulich. Da fand ich auf der Erde: Erde. Eindeutig aussortiert zwischen anderem Krempel lag dort ein voller Plastiksack "10 Liter Qualitäts-Blumenerde".

Bei originalverpackter Markenware wird in mir die Habsucht wach. Also inspizierte ich den Beutel. Er war nicht angebrochen. Da muss es einen Haken geben, dachte ich – so viel Skepsis habe ich dann doch aufgeschnappt in einem Sechsteljahrhundert Berlin. Ich griff den Sack mit spitzen Fingern und schnupperte. Nüscht. Ich wendete ihn. Hinten war sehr viel Schrift. Das brachte mich auf die Idee, nach dem Haltbarkeitsdatum zu suchen, welches mir zweifellos beweisen würde, dass das Produkt seit Jahren abgelaufen war.

Ich suchte und suchte und las mir in diesen zehn Minuten einiges an über die Deutsche Düngemittelverordnung, über Hochmoortorf und kohlensauren Kalk. Sogar ein neues Wort lernte ich, immer ein Grund zur Freude: Perlit! Das ist eine Art Glas – gibt’s also wirklich eine zweite Chance für Berliner Schnapsflaschen? Allein: Das Haltbarkeitsdatum fand ich nicht.

Nun gut, philosophierte ich, was soll der Erde auch noch zustoßen? Schließlich wird ja alles und jeder, wenn das eigene Haltbarkeitsdatum erheblich überschritten ist, wozu? Zu Erde! Der Wassergehalt von Blumenerde entspricht mit 55% in etwa dem des Menschen. Mir wurde ganz feierlich zumute. Was ich hier in den Händen hielt, war das Endergebnis jeglicher Vergänglichkeit. Asche zu Asche, Erde zu Erde, Compo zu Sana.