Ein bellender Plastikhund steht an einem Gehweg, während ein Radfahrer auf dem Gehweg vorbeifährt (gestellte Szene)
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100 Sekunden Leben - Wenn Schwaben auf den Hund kommen

In Esslingen, im Schwabenland, sind sie auf den Hund gekommen. Fahrradfahrer, die verbotenerweise auf dem Gehweg fahren, werden dort von einem Plastik-Rottweiler angebellt. Unser Kolumnist Thomas Hollmann kann sich vorstellen, dass so etwas demnächst auch in Berlin passiert.

Wenn man das hört, dass jemand im Internet einen Plastikhund kauft, den an den Straßenrand stellt, um den Hund per Lautsprecher immer dann losbellen zu lassen, wenn auf dem Bürgersteig ein Radfahrer langkommt, dann könnte man glatt glauben, dieser Jemand wäre ein typischer Schwabe: pedantisch, besserwisserisch und spießig. Zumal der Plastikhund eigentlich als Dekoration für das Blumenbeet gedacht ist, als vierpfotiger Gartenzwerg, sozusagen.

Aber wie das so ist mit Geschichten aus fernen Landstrichen und den eigenen Vorurteilen darüber: Manchmal stimmen sie nicht. Handelt es sich bei der Esslinger Rottweiler-Posse doch weder um laubenpieperische Selbstjustiz noch um die animalische Variante einer abschreckenden Blitzer-Attrappe.

Bello ist Teil einer Protest- und Kunstaktion. Sagt Werner Bolzhauser. Und der Mann muss es ja wissen. Hat der den Hund doch an die Straße gestellt, die an der alten Spinnerei viel befahren ist. Weshalb Radler sicherheitshalber auf den schmalen Gehweg ausweichen. Wodurch sich wiederum Fußgänger bedroht fühlen. Und „Iwan der Erschreckende“, so der Name des Knopfdruck-Kläffers, soll auf diesen Verdrängungsprozess hinweisen und vor allem soll er die Esslinger Gemeinderäte aufschrecken. Ist doch kommendes Jahr Kommunalwahl. Und wenn nun alle Welt erfährt, dass Esslinger Radfahrer nicht nur Angst vor Autos haben müssen, sondern auch noch vor ferngesteuerten Rottweilern, dann werden vielleicht neue Radwege gebaut. So das polit-künstlerische Kalkül.

Ich bin gespannt, wie die Geschichte in Esslingen weitergeht. Und wie die in Berlin. Könnte die Letzte Generation doch auf die Idee kommen, sich nicht mehr selbst anzukleben, sondern den Hund des Nachbarn.