Jetzt ist mir auch passiert, was manchen meiner Freundinnen und Freunde schon länger so geht: ich habe die Lust am Diskutieren verloren. Gut, der besagte Freundeskreis wird sagen: Hendrik, du diskutierst immer noch mehr, länger und engagierter als die meisten von uns. Aber irgendwas ist geschehen, irgendwas ist kaputt.

Debatte und Diskussion. Im Kreis der Vertrauten. Bei der Arbeit. Bei Parties, mit Zufallsbekanntschaften in der Bahn: ich hab das immer geliebt. Stellung beziehen, eine Haltung haben und versuchen die allerbesten Argumente zu finden für seine Sichtweise auf die Dinge.

Das war für mich Leben, geistige und rhetorische Vitalität, ja, irgendwie auch, auch wenn das jetzt viel zu staatstragend klingt: ein bisschen gelebte Demokratie. Für seine Überzeugungen einzustehen und zu versuchen mit den besseren Argumenten andere auf die eigene Seite zu holen. Ohne verbissen oder gemein zu werden. Das war der Anspruch. Das war mein Anspruch.

Manche Freunde habe ich damit zur Weißglut gebracht und selbst meine Mutter meinte manchmal: Junge, du musst wirklich immer alles zu Ende diskutieren. Aber ich fühlte mich im Recht. Der friedliche Wettstreit der Meinungen, das war es doch, was unser Gemeinwesen hier atmend und lebendig hielt.

Jetzt bin ich immer öfter so müde davon und habe keine Lust, winke ab, sage Dinge wie: Ja, kann sein. Oder: Da könnte man jetzt lange drüber streiten. Um dann irgendwohinzulenken, wo es weniger mühsam ist. Sport, Musik, sowas.

Die Meinungen haben sich einfach spätestens seit Corona und dann dem russischen Krieg in der Ukraine unter Zuhilfenahme von Fake News und großen Echokammern und Meinungsblasen in sozialen Netzwerken so polarisiert, sind so steinern geworden, der Tonfall so aggressiv und gewalttätig, es bringt nix mehr.

Ich hab immer öfter keinen Bock mehr zu diskutieren. Das ist traurig. Wie kommt man denn da wieder raus? Haben Sie eine Idee?