Ein "Freiwillig-Tempo-30" Schild steht an einer Straße in der Gemeinde Gaienhofen im Kreis Konstanz.
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100 Sekunden Leben - Tempo 30 - freiwillig?

Das Verwaltungsgericht Freiburg könnte am Dienstag ein wegweisendes Urteil fällen. Es geht darum, ob Anwohner Schilder aufhängen dürfen, die für Tempo 30 werben. Unser Kolumnist Thomas Hollmann ist in diesem Fall dagegen.

Ich müsste eigentlich für die Schilder und für Tempo 30 sein. Denn ich fahre nur Rad und deshalb selten schneller als 30. Aber ich bin dagegen, dass die Anwohner am Bodensee Recht bekommen. Denn ich habe etwas gegen Rechthaberei - und gegen die Deutsche Umwelthilfe.

Die unterstützt die Anwohner und hat bereits BMW, Mercedes und die Bundesregierung verklagt. Letztere vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Da ist das Verwaltungsgericht Freiburg ein bisschen unter Niveau. Aber die Klage soll immerhin eine Musterklage sein.

Dabei hängen doch jetzt schon überall selbstgemalte Bilder und Bitten, den Fuß vom Gas zu nehmen, ohne dass die Landratsämter daran Anstoß nähmen. Dass das Landratsamt Konstanz dies im vorliegenden Falle tut, liegt vor allem an der "30". Die ist auf dem Schild rot umrandet und sieht auch ansonsten aus wie auf einem echten Verkehrsschild.

Autofahrer hätten sich beschwert, ihr Assistenzsystem würde auf die "30" ansprechen und sie auffordern zu bremsen. Die Anwohner und die Deutsche Umwelthilfe pochen indes auf ihr Recht der "verfassungsrechtlich geschützten Meinungsäußerung" - und auf den roten Kreis.

Ich weiß nicht, wie das Verwaltungsgericht Freiburg entscheidet. Wohl aber weiß ich, dass das Amtsgericht Lübeck in einem ähnlich rechthaberischen Fall gegen die Prinzipienreiter entschieden hat. Drei Mitarbeiter des örtlichen Ordnungsamtes wollten einen jungen Mann mit einer 60-Euro-Geldbuße belegen, weil der nachts um halb eins in die Ostsee pinkelte. Das Amtsgericht Lübeck stellte indes klar: Eine Belästigung der Allgemeinheit liegt hier nicht vor, da die Ordnungsamtsmitarbeiter nur durch Zuhilfenahme einer Taschenlampe die Blasenentleerung feststellen konnten.

Ich bin gespannt, wie der Freiburger Fall ausgeleuchtet wird.