Mohrenstraße, Straßenschild im Bezirk Mitte
IMAGO / Wolfgang Maria Weber
Bild: IMAGO / Wolfgang Maria Weber Download (mp3, 2 MB)

100 Sekunden Leben - Keine Menschennamen mehr auf Straßenschilder!

Wann gibt es wohl den nächsten Ärger um eine Straßen-Umbenennung? Letzte Woche hat das Berliner Verwaltungsgericht die Streichung des Namens "Mohrenstraße" bestätigt. Unsere Kolumnistin Doris Anselm fand das zwar richtig, hat aber trotzdem das Gefühl, dass in diesen Konflikten inzwischen keiner Seite mehr klar ist, worum es eigentlich bei Straßennamen geht.

Ich hatte kurz die Hoffnung, der Verwaltungsrichter würde etwas Bahnbrechendes sagen. Er begann seine Erörterung zur Mohrenstraße nämlich mit den Worten "Warum benötigt man überhaupt Straßennamen?" Aber dann redete er doch nur von Zuständigkeit und Verfahrenstechnik.

Stop! Zurück zur Frage. Die kann man nämlich ohne Jura-Studium beantworten: Straßennamen braucht man, um sich in einer Stadt zurechtzufinden. Dieser Faktor scheint mir inzwischen aber auf allen Seiten aller Umbenennungs-Debatten komplett unterzugehen. Ein Straßenname ist überhaupt nicht dazu da, irgendwen zu ehren. Dass auf Straßenschildern Menschennamen stehen, ist ehrlich gesagt eine dumme Idee. Konservative Umbenennungs-Feinde lästern ja immer, dass nach einer Weile bestimmt auch der neue, "politisch korrekte" Mensch auf dem Schild als irgendwie korrupt, rassistisch oder sonstwie fies enttarnt würde. Und da haben sie womöglich sogar recht.

Deshalb muss trotzdem keine Straße weiter Mohrenstraße heißen. Aber wenn unbedingt irgendwas geehrt werden soll per Straßenname, wäre mein Vorschlag: Wir sind gerade dabei, genug Pflanzen- und Tierarten auf der Welt auszurotten, dass es für sämtliche Straßen Berlins reichen würde. Und diese Lebewesen hätten wirklich unsere Entschuldigung verdient.

Im Sinne des Zurechtfindens wiederum müssten wir nochmal ganz anders umbenennen. Zum Beispiel verirren sich in meinem Kiez ständig Leute, weil dort zwei ähnlich große, ähnlich aussehende Straßen einander kreuzen, deren Namen auch noch fast Anagramme voneinander sind: Brunnenstraße und Bernauer Straße. Ich bezweifle auch, dass wir acht Goethestraßen in der Stadt benötigen. "Es irrt der Mensch, solang er strebt" … und landet ständig im falschen Bezirk.