Karstadt am Hermannplatz
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100 Sekunden Leben - Das Kaufhaus als Zeitmaschine

Eine nostalgisch-schöne Kaufhauserfahrung hatte unser Kolumnist Hendrik Schröder jüngst - als er mit dem Nachwuchs im Schlepptau eine Karstadt Filiale ansteuerte.

Neulich war ich der Meinung, dass ich für den Sommerurlaub noch eine kurze Shorts brauchen würde. Meine Teenager-Tochter hat immer Lust auf Läden und wollte wohl mit. Wohin, fragt sie? Zu Karstadt sag ich, am Hermannplatz. Was anderes fiel mir als Shoppinggestörten, der es in der Regel in Klamottenläden kaum 20 Minuten aushält, nicht ein. Die haben wenig Auswahl und das ist teuer, erwiderte die Teenagerprofishopperin, die wahrscheinlich die Ebenenpläne von mindestens zwei Berliner Malls aus dem Kopf zeichnen könnte. Aber ich beharrte.

Es war ein heißer Freitag Abend und der Laden angenehm klimatisiert und total leer. Herrlich. Wir liefen über die Flächen und gerade hielt ich meiner Tochter einen Vortrag darüber, dass man so ein riesiges Gebäude mit derart wenigen Kunden doch gar nicht wirtschaftlich betreiben könne, da blieb sie stehen und schaute sich um und sagte nostalgisch: ach guck mal, da haben wir doch früher Kinderschuhe für mich gekauft, oder? Wir hatten. Weiter hoch mit der Rolltreppe, an der Spielwarenabteilung vorbei laufend, der nächste Flashback für den Teenager. Wie sie da früher halbe Ewigkeiten all das Zeug bestaunen konnte und gar nicht mehr nach Hause wollte, wie wir regelmäßig kleine Geschenke ebendort gekauft hatten, wenn sie zum Kindergeburtstag irgendwo eingeladen war. Mein Gott, wie viele Jahre waren wir nicht mehr zusammen hier gewesen?

Sag mal Papa, meinte sie, kann es sein, dass sich seit meiner Kindheit hier überhaupt nichts mehr verändert hat? Ich musste lachen und sagte: Weißt Du was, genau genommen hat sich nichts mehr verändert, seitdem ich als Kind mit meiner Oma ab und an zu Karstadt gegangen bin. Das war zwar ein anderer Karstadt in einer anderen Stadt, aber es war eigentlich genau so. Jetzt lachten wir beide. Wie schön, wenn manche Dinge einfach bleiben wie sie immer waren. Es war eine tolle kleine Zeitreise, wir klapperten fast alle Abteilungen ab, probierten dieses und jenes an - aber gefunden haben wir wie von der Tochter prognostiziert nichts und sind mit exakt 0 Euro Ausgaben wieder nach Hause. Und wahrscheinlich ist genau das das Problem.