Kirill Petrenko, Chefdirigent der Berliner Philharmoniker
Festspielhaus Baden-Baden
Kirill Petrenko, Chefdirigent der Berliner Philharmoniker | Bild: Festspielhaus Baden-Baden Download (mp3, 2 MB)

100 Sekunden Leben - In der "Row Zero" bei den Philharmonikern

Ein Ohr für klassische Musik fehlt unserer Kolumnistin Doris Anselm leider völlig. Das sagt sie selbst, und trotzdem hat sie gerade einen Besuch bei den Berliner Philharmonikern sehr genossen. Auch, weil sie sich als Zuhörerin dort wunderbar sicher gefühlt hat.

Die Berliner Philharmoniker sind nicht Rammstein. Das ist schonmal toll. Es gibt noch viele andere Sachen, die toll sind an den Philharmonikern; die meisten davon kann ich aber nicht beurteilen. Und natürlich kann ich mich auch für das Verhalten ihres Chefdirigenten Kiril Petrenko nicht verbürgen, vor allem nicht backstage, aber ich sag mal: Ein Till Lindemann ist er nicht. Sondern bescheiden, höflich und selbstironisch.

Ein solcher "Bandleader" ist wohl auch in Klassikkreisen selten. Ist er womöglich sogar Feminist? In dem Konzert, das ich besuchte, hat Petrenko mit seinen Leuten ein Werk der Komponistin Lisa Streich uraufgeführt und dazu was erzählt. Zum Beispiel, dass neben dem klassischen Orchester auch ein Eierschneider darin vorkommt, als Zupfinstrument. Es klang erstaunlich harmonisch, und Petrenko grinste verschmitzt. Ein Eierschneider?! Da hätte doch Till Lindemann vor lauter Kastrationsangst gleich wieder einen seiner Blech-Penisse voller Pyrotechnik auf die Bühne holen müssen. Bei den Philharmonikern kommt aus den Blechbläsern nur Musik. Ein Glück.

Zur Sicherheit hab’ ich aber trotzdem während des Konzerts auch die "Row Zero" im Auge behalten. Gab nur eine normale erste Reihe. Da ging alles ganz gesittet zu, soweit ich sehen konnte. Wobei ein älterer Herr die ganze Zeit kurz vorm Einnicken schien. Und er war durchaus attraktiv. Da befürchtet man in diesen Zeiten ja gleich das Tröpfchen Rohypnol im Glas. Bei den Berliner Philharmonikern müsste man dann aber zusätzlich noch befürchten, dass die Opfer ihre K.O.-Tropfen selbst zahlen müssen: Mein Sekt kostete neun Euro. Der müde Mann ist am Ende wohlbehalten aus dem Saal gekommen.

Fazit: Ich geh mal wieder hin. Ich hab' mich sicher gefühlt, die Musik war vielleicht ein bisschen ungewohnt, aber eindeutig besser als Rammstein.