Ich weiß gar nicht, ob ich das hier erzählen soll. Gelten Zeitungsleser heutzutage doch als total vorgestrig. Erst recht, wenn sie eine Zeitung abonnieren. So wie ich das tue.

Früher war das anders. Da kamen Kollegen demonstrativ mit der Süddeutschen unterm Arm in die Redaktion, damit auch alle sehen, dass sie die Süddeutsche lesen und sie also zur intellektuellen Avantgarde gehören.

Nun abonniere ich nicht die Süddeutsche. Aber aus dem Briefkasten muss ich die Zeitung trotzdem holen. Und das ist das Problem: Ich habe keine Lust, ungefrühstückt drei Treppen runter und dann wieder hochzulatschen. Also lass ich das bleiben und gucke stattdessen ins Handy.

Beziehungsweise, ich gucke von oben drauf. Denn lehne ich das Handy an das Honigglas, um einen besseren Blickwinkel zu bekommen, rutscht das Teil nach vorne weg. Und lege ich mein Brillenetui als Stopper davor, sehe ich nur die Hälfte.

Unsere Rohrzange ist flach und auch schön schwer. Aber die passt nicht zum Frühstücks-Ensemble. Wurde mir gesagt. Ich wiederum mag diese Handy-Aufsteller nicht. Dieses Teil würde dann immer auf dem Tisch rumstehen und mir vor Augen führen, dass ich zu viel ins Handy gucke.

Unauffälliger wäre so ein Klappstab. Den klebt man hinten drauf aufs Handy und das steht dann vor einem wie ein Bilderrahmen. Nur eben, dass einen Tante Lisbeth nicht anguckt. Was nicht das Schlechteste ist. Auf der anderen Seite flutscht das Handy mit so einem Klappstab hinten drauf vermutlich nicht mehr so schön in die Hosentasche.

Also hole ich doch irgendwann die Zeitung hoch. Meistens, wenn ich den Müll runterbringe. Das ist dann schon später. Aber was in der Zeitung steht, ist ja eh von gestern.

Die 100 Sekunden Leben sind eine Wiederholung liefern erstmals im Juni 2023.