Frau drückt auf Knopf ihres Weckers
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100 Sekunden Leben - Die Weckbeauftragte des Berliner Senats

In Berlin von morgendlichem Lärm aufzuwachen, ist für Viele normal – auch für unsere Kolumnistin Doris Anselm. Jetzt aber gibt es in ihrer Nachbarschaft anscheinend was Neues: Einen Lärmwecker mit Schlummertaste.

Werktags um Punkt sieben geht es los, dieses erstaunlich wecker-typische, langgezogene Piepen. Nur dass es nicht vom Nachttisch kommt, sondern von der Straße draußen. Es ist kein Müllfahrzeug, die erkenn ich am Sound (ich kann da sogar schon akustisch zwischen BSR, Alba und Berlin-Recycling unterscheiden). Die Quelle des neuen Piepens ist von meinem Fenster aus nicht sichtbar, es piept wohl um die Ecke.

So weit, so wenig berichtenswert; Lärmwecker sind wir in Berlin gewöhnt. Allerdings: Normalerweise geht der Lärm dann entweder weiter oder hört auf. Unser neuer Nachbarschaftswecker dagegen hat offenbar eine Schlummer-Funktion. Nach etwa dreißig Sekunden Gepiepse scheint jemand auf die Snooze-Taste zu drücken. Fünf Minuten lang ist Ruhe, dann geht das Piepen wieder los. Dieser Vorgang wiederholt sich bis sieben Uhr dreißig. Ich finde das verstörend.

Gut, wenigstens wurde meiner Straße von der geheimen Macht die Aufstehzeit "sieben Uhr dreißig" zugeteilt, und nicht etwa "viertel nach fünf". Aber wer stellt das ein? Ist das demokratisch legitimiert? Hat der Senat jetzt einen Weckbeauftragten? Soll das die Wirtschaft ankurbeln? Und wer hat Zugriff auf die Schlummertaste; geht das turnusgemäß reihum? Das Piepen nervt, kann ich mich irgendwo für einen anderen Weckton engagieren?

Aber nicht, dass meine Nachbarn dann demokratisch einen Helene-Fischer-Song wählen. Atemlos durch den Krach werd’ ich nämlich ungern wach. Anderseits würde ich mich dann vielleicht bald schon freiwillig fünf Minuten vorher aus dem Bett quälen, damit ich unter der Dusche bin, wenn sie draußen loslegt, Frau Fischer, die Weckbeauftragte des Berliner Senats. Also nee, das klingt alles nicht gut. Aufstehen ist Privatsache. Das Private mag politisch sein – nur bitte nicht vorm ersten Kaffee.