100 Sekunden Leben - Das Ende
Das Thema Rammstein und wie die Rockband ein System erschaffen haben soll, dem Sänger junge Frauen sexuell verfügbar zu machen, das lässt unseren Kolumnisten nicht los. Zwar bestreitet die Band die Vorwürfe, die bisher auch nicht behördlich verifiziert wurden - und doch müsse sich die Band auflösen, findet Hendrik Schröder.
Das muss das Ende von Rammstein sein. Es ist doch geradezu empörend, dass sie die anstehenden Konzerte überhaupt noch spielen. In München. In Berlin. Wie können die überhaupt noch auf die Bühne gehen? Vielleicht war es nur Lindemann und die anderen sind, wie man in den Boulevardblättern lesen kann, schon lange ganz und gar brave Familienväter. Aber sie müssen auch was gewusst haben, es kann nicht anders. Und wer schweigt, stimmt zu. So hart muss man das sagen.
Es geht dabei auch nicht darum, jemanden vorzuverurteilen, es geht auch gar nicht um irgendeine strafrechtliche Relevanz. Es gibt mittlerweile mehrere Dutzend Frauen, die teils unter Eides statt verschiedenen Medien in verschiedenen Ländern die sich immer ähnelnden Geschichten erzählen. Da existiert ein widerliches System. Die Augenzeugenberichte sind erdrückend.
Das darf die Band nicht überleben. Für jeden Rammstein-Fan ist das in meinen Augen jetzt auch ein Akt der Solidarität, nicht zum Konzert zu gehen. Solidarität mit den jungen Frauen, die naiv und star-struck ausgebeutet wurden. Die Tickets wegzuschmeißen, nicht hinzugehen. Kein Applaus für Täter, so würde ich das sagen.
Für mich persönlich hatten Rammstein jede Kredibilität verloren, als sie sich für die Promotion eines Albums vor einigen Jahren als KZ Häftlinge verkleideten und sich in einem nachgebauten Konzentrationslager hinrichten ließen, um Werbung für ihre neue Platte zu machen. Wer kommerzielle Werbung mit dem Holocaust für sein Produkt macht, der hat in meinen Augen jeden Kompass verloren. Kunst darf, soll, muss provozieren, Grenzen ausloten und überschreiten. Aber junge Fans sexuell auszubeuten oder Geld auf dem Rücken von Holocaustopfern zu verdienen, das ist keine Provokation, das ist keine irgendwie interessante, antiautoritäre Grenzüberschreitung, das ist einfach nur zum Kotzen.
Wenn Rammstein irgendeinen letzten Rest von Größe, Anstand und Moral haben, sagen sie alle ausstehenden Konzerte ab und lösen sich jetzt auf. Zeit wärs.