Townhaus in Berlin
IMAGO / Schöning
Bild: IMAGO / Schöning Download (mp3, 2 MB)

100 Sekunden Leben - Eckiges Berlin

Der neue Berlin Senat will Tempo machen beim Wohnungsbau. CDU und SPD planen ein sogenanntes "Schnelles-Bauen-Gesetz". Unser Kolumnist Thomas Hollmann hat nichts gegen Maßnahmen, die die Wohnungsnot lindern. Wohl aber hat er etwas gegen Häuser, die alle gleich aussehen.

Immer wenn ich an Berliner Neubauten vorbeikomme, gucke ich, wo die Punkte sind. Aber da sind keine. Obwohl die Neubauten alle aussehen wie Würfel. Egal ob Bürohaus oder Wohnhaus, immer ist alles eckig und quadratisch und gleich. Dass ich die Architekten schon im Verdacht habe, einer Quader-Sekte anzugehören, die den Gott des rechten Winkels anbetet. Normal ist das jedenfalls nicht, dass nur noch Würfel gebaut werden. Wenn da Punkte drauf wären, wüsste man zumindest, wer eine "6" hat und nochmal darf.

Manchmal sind die Würfel auch Rechtecke und haben einen Streifen Rasen davor. Dann sind das Townhäuser, und die kosten noch mehr. So viel Geld für so wenig Fantasie. Da kann ich auch gleich in einen Containerhafen ziehen.

Wahrscheinlich soll das die neue Berliner Sachlichkeit sein. Klotzen in klein. Aber warum nur haben Architekten so überhaupt keine Lust auf Kurven? In der Modebranche sind Curvy-Models total angesagt. Und die Architektin wohnt doch auch lieber im Kudamm-Altbau mit Stuck und Kristallkronleuchter an der Decke als in ihrem Bauhaus für Arme. Vielmehr: für Reiche.

Und so macht die Eine das Eckige des Anderen nach. Links-zwo-drei-vier-rechter-Winkel - und die Einfalt potenziert sich, das Quadrat im Quadrat, sozusagen. Auf dass in 30 Jahren der Berliner Würfelbau als Epoche machend erkannt und unter Denkmalschutz gestellt wird. Wetten?

Deshalb bin ich schwer dafür, dass CDU und SPD kein "Schneller-Bauen-Gesetz" machen, sondern erst einmal ein Gesetz für Mörtel-Diversität: Für Putten-Engelchen und gegen die Quader-Diktatur!