Hunde im Schaufenster
rbb/Hollmann
Bild: rbb/Hollmann Download (mp3, 2 MB)

100 Sekunden Leben - Der Hund im Schaufenster

In Berlin lassen sich viele sonderbare Dinge beobachten. Unser Kolumnist Thomas Hollman hat in seiner Nachbarschaft eine tierische Entdeckung gemacht.

Als ich den Hund das erste Mal im Schaufenster habe liegen sehen, dachte ich: Der sieht aber echt aus. Dass er das tatsächlich war, bemerkte ich erst das nächste Mal. Da hatte er seine Schnauze putzig in die Decke gedrückt und der Schwanz wedelte. Der hätte natürlich auch batteriebetrieben sein können. Aber dann stand der Hund auf, gähnte ausgiebig, drehte sich zweimal um sich selbst, um schließlich im Inneren des Lotto-Ladens zu verschwinden. So etwas kriegt man mit Künstlicher Intelligenz noch nicht hin, war ich mir sicher.

Nun lassen sich in Berlin die sonderbarsten Dinge beobachten. Da rangiert ein Hund im Schaufenster nicht zwangsläufig in den Top Ten. Als ich wenige Tage später jedoch erneut an dem Laden vorbeikam, lag da kein schwarzfelliger Hund in der Auslage, sondern einer mit eierschalenfarbener Behaarung.

Die helle sei Charlotte, die dunkle Shiva, und die beiden seien Schwestern, erklärte mir die Frau im Laden. Mit dem Frauchen von Shiva sei sie nicht verwandt, das sei ihre Kollegin. Jede bringe ihren eigenen Hund mit. Und weil sich die Labrador-Damen beide gerne sonnten, lägen die abwechselnd im Schaufenster.

So einfach ist das also: morgens Charlotte, am Nachmittag Shiva. Oder umgekehrt. Wer gerade Schicht hat. Hinter der Hundeauslage steckt also weder eine Verkaufsstrategie noch eine wie auch immer geartete Hipster-Haftigkeit. Was ich grundsätzlich gut finde, wenn etwas total normal ist – und dann auch wieder nicht.

Inzwischen schlendere ich fast täglich an dem Laden vorbei, um zu schauen, ob Charlotte oder Shiva Dienst hat. Muss ich jetzt nur noch rauskriegen, wie die Frauchen heißen.

 

Die 100 Sekunden Leben sind eine Wiederholung und liefen erstmals im Mai 2023