Schreibmaschine auf einem Schreibtisch
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100 Sekunden Leben - Statussymbol Schreibtisch

Am Donnerstag beginnt die Leipziger Buchmesse. Kolumnistin Doris Anselm fährt dieses Jahr mal nicht hin – vermutet aber sowieso, dass literarischer Erfolg ganz woanders beginnt. Zum Beispiel auf einer flachgelegten Altbauzimmertür.

Das Wort "Schriftstellerparty" existiert in der deutschen Sprache eigentlich nicht, und dafür gibt es gute Gründe. Nein, die traurigen Burnout-Besäufnisse der gesamten deutschen Literaturszene auf den zwei Buchmessen sind kein Gegenbeweis – Schriftstellerparties gibt es nicht. Ich muss es wissen, denn ich war neulich auf einer.

Die so betitelte Veranstaltung fand in einem Autoren-Gemeinschaftsbüro statt, und einen erheblichen Teil des Abends vergnügten sich die Gäste damit, zu raten, wem wohl welcher Schreibtisch gehören mochte. Mir wurde erst bei dieser Gelegenheit klar, dass Schreibtische das Statussymbol von Autoren sind, die offiziell Statussymbole verachten. Was gab es in dem Büro nicht alles an identitätsstiftenden Tischen! Da war die edel abgebeizte Altbauzimmertür, flachgelegt, mit pfiffigem Kabeldurchlass, wo sich früher die Klinke befand. Daneben stand ein DDR-Schreibtisch mit zynischem Stasi-Gruselfaktor. Und so weiter.

Dabei waren die Autor*innen in dem Büro noch nichtmal prominent. Was gäbe es da wohl erst bei den Stars zu sehen?! Juli Zeh schreibt vermutlich all ihre Romane auf einem ausgehängten Brandenburger Scheunentor, Dörte Hansen fabuliert stets auf dem Holz altländer Apfelbäume, und Sebastian Fitzek verfasst seine Thriller auf der Schlachtbank eines echten Serienmörders, die er bei der Zwangsauktion von dessen Kellerinventar ersteigert hat.

Kein Wunder, dass meine Karriere stagniert: schreibe ich doch auf einer Schreibtischplatte aus dem Baumarkt, die fantasielos auf IKEA-Schubladencontainern ruht. Ich liebäugele ja mit einem schönen großen Autobahnausfahrtsschild – aber klapprige Roadmovie-Romane gibt’s schon genug; das wird die Buchmesse ab morgen wieder zeigen.