Erdbeeren in einer Plastikschale
Thomas Hollmann/rbb
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100 Sekunden Leben - Die verbotene Frucht

Es ist noch Winter, aber die Erdbeeren liegen im Supermarkt schon wieder großflächig aus. Unser Kolumnist Thomas Hollmann konnte da nicht widerstehen - jetzt hat er ein schlechtes Gewissen.

Eigentlich bin ich ein Öko. Ich habe kein Auto. Ich kaufe Joghurt im Pfandglas. Und die umweltsäuische Textilindustrie verdient auch nichts an mir, weil es nur neue Unterhosen gibt, wenn die alten Löcher haben. Aber sehe ich irgendwo Erdbeeren, ist es um mich geschehen. Vor allem, wenn die nur 1,99 Euro kosten.

Zu meiner Ehrenrettung kann ich anführen, am ersten Sonderangebot noch vorbeigegangen zu sein. Als die 500-Gramm-Schale dann aber auch im nächsten Supermarkt nur 1,99 Euro kostete, habe ich zur verbotenen Frucht gegriffen.

Wobei ich ja nicht verstehe, warum Adam und Eva seinerzeit mit einem Apfel in Versuchung geführt wurden. Die Erdbeere ist doch viel sinnlicher und die gab es auch schon in der Steinzeit.

Bananen wachsen auch nicht in der Uckermark

 

Heute sind die Erdbeeren natürlich viel größer und wahrscheinlich auch viel röter. Deshalb werfe ich meine ökologischen Grundsätze ja über Bord und kaufe Zellophan-eingeschweißte Gewächshausfrüchte, die eine 3000 Kilometer lange Lkw-Reise hinter sich haben, mit der Begründung, dass Bananen schließlich auch nicht in der Uckermark wachsen.

Was ja stimmt. Aber eine Bananen-Scham haben die Leute nicht, obwohl diese überaus krumme Frucht wie selbstverständlich das ganze Jahr über angeboten wird und eine ebenso bedenkliche Klimabilanz aufweist wie eine Ananas. Aber schämen tun sich die Leute nur für verfrühte Erdbeeren.

Ich ja auch. Ein wenig. Als ich die Erdbeeren dann aber gegessen habe, haben sie mir einfach nur geschmeckt. Und da ist mir wieder dieser eine Gedanke gekommen, dass die Menschheitsgeschichte wahrscheinlich eine viel genüsslichere und womöglich weniger gewalttätige wäre, hätte Adam damals nicht in einen sauren Boskop gebissen.