Neujahrsansprache der Regierenden Bürgermeisterin von Berlin, Franziska Giffey (Quelle: rbb)
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100 Sekunden Leben - Von Grüßen und anderen Aufdringlichkeiten

Dass ein Silvestergruß nach hinten losgehen kann, merkt gerade Verteidigungsministerin Christine Lambrecht, nachdem sie im Berliner Raketendonner über ihre Eindrücke während des Ukraine-Krieges philosophiert hatte. Thomas Hollmann findet die Neujahrsansprache von Franziska Giffey aber fast genauso peinlich.

Als ich am Sonntag vor die Haustür bin und über eine zerbrochene Sektflasche rollte und meine Fahrradfahrt zu Ende war, ehe sie begonnen hatte, glaubte ich noch an Pech. Als dann aber am Abend die Regierende Bürgermeisterin zu ihrer Neujahrsansprache anhob, da wusste ich: 2023 kommt was auf mich zu.

Machte Frau Giffey doch derart dreist auf dicke Hose, dass die Neuköllner Gangsta-Rapper beeindruckt gewesen wären. Das 29-Euro-Ticket hat Frau Giffey erfunden, die Berliner Wirtschaft angekurbelt, die Energieversorgung gesichert, massenweise Kitaplätze geschaffen, viele, viele Wohnungen bauen lassen. Und das Wichtigste: Bei der Pannenwahl war sie noch nicht im Amt. Weshalb man sie unbedingt wiederwählen sollte. Okay, das hat Frau Giffey nicht gesagt. Musste sie auch nicht. Auch ohne SPD-Sticker war ihre Neujahrsansprache eine Werbeveranstaltung in eigener Sache.

Ich meine, da kann ich auch gleich Boris Becker gucken. Nach seinem Halbe-Million-Heul-Interview hat der gleich noch eine kostenlose Botschaft hinterhergeschickt. Bei Instagram. Vor einem Palmenstrand. Dass ich zuerst dachte, da sei ein blondiertes Walross angeschwemmt worden. Aber es war tatsächlich Boris Becker. Der hatte nur obenrum nichts an. Im Gegensatz zu Frau Giffey. Aber beide haben ihren Fans Glück und Gesundheit gewünscht.

Und diese Parallelität besorgt mich. Werden Boris Becker und Franziska Giffey in den kommenden Wochen doch überall und unaufhörlich sagen, wie toll sie sind. Ist das öffentliche Bild, das ein prominenter Ex-Knacki abgibt, doch genauso wahlentscheidend wie das einer nicht vorbestraften Regierenden, die keine Ex werden will.

Vielleicht sollte man nicht nur die Böllerei verbieten, sondern alle Silvestergrüße und Neujahrsansprachen gleich mit.