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100 Sekunden Leben - Weihnachten ohne Baum

Am Samstag ist Heiligabend, aber Thomas Hollmann hat noch keine Tanne. Und daran wird sich auch nichts ändern. Denn unser Kolumnist feiert Weihnachten diesmal ohne Baum. Gründe dafür hat er jede Menge.

Ich kann das nur empfehlen. Das ist so entspannend, an einem Tannen-Paradies vorbeizufahren, ohne Angst haben zu müssen, dass dort der eine, perfekte, ideal gewachsene Baum steht, den man aber nicht entdeckt, weil man am Paradies vorbeifährt. Ich habe diese Angst überwunden. Ich zeige dem Nadelgrün den Mittelfinger: Es kann mich mal.

Denn selbst wenn man ein passables Exemplar entdeckt, übersieht man daran garantiert diese eine kahle Stelle, die zuhause umso mehr ins Auge sticht und einen schmerzhaft an den eigenen, lichten Haarwuchs erinnert. Wie soll man da entspannt Weihnachten feiern? Eben.

Die Tochter habe ich mit der katastrophalen Klimabilanz des toten Baumes gekriegt. Da kam die Familientradition nicht gegen an. Wussten Sie, dass eine Nordmanntanne 500 Jahre alt werden kann? Aber aus der Bude fliegt sie schon nach einer Woche, weil das Sofa zurück muss auf seinen angestammten Fernsehplatz.

Ich frage mich: Wie konnte ein aus den Höhen des Kaukasus stammendes Gewächs zum Sinnbild eines Wüstenreligion-Festes werden? In Bethlehem würde eine Nordmanntanne kümmerlich eingehen und verdorren. Okay, das tut sie im Wohnzimmer auch. Weshalb der Baum im Treppenhaus auch all seine inzwischen zahngelben Nadeln abwirft. Und nur dass Sie es wissen: Die Blaufichte ist keine Alternative. Denn die wächst genauso wenig in Bethlehem.

Meine Tochter besteht darauf, dass wir zum Fest wenigstens einen Tannenzweig in die Vase stellen. Also, daran soll es nicht scheitern. Unser Paradies um die Ecke hat noch auf. Da kann ich schnell mal vorbeigehen, mit meiner Säge.