Anzeigen in der Anlage des Gasspeicher Wolfersberg
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100 Sekunden Leben - Voll ist nicht mehr voll

Am Samstag geht ein Jahr zu Ende, in dem es manche schlechte Nachricht gab. Aber es gab auch eine gute: Am 14. November waren die deutschen Gasspeicher zu 100,02 Prozent befüllt. Die Speicher waren also mehr als voll. Ein Umstand, der unseren Kolumnisten Thomas Hollmann in eine endjahreszeitliche Krise stürzt…

Okay, 100,02 Prozent sind nur unwesentlich mehr als hundert Prozent. Aber doch eben mehr. Und der Speicher im thüringischen Allmenhausen war sogar zu 106,44 Prozent befüllt. Und das geht doch gar nicht. Ich meine, wenn ein Bierglas voll ist, ist das voll. Da kann ich nicht noch zwei Schnäpse draufkippen. Das weiß jeder Trinker.

Oder haben die Gasspeicher womöglich einen Deckel wie unsere Mülltonnen? Da geht auch immer noch was rein, obwohl der Beutel mit dem Katzenstreu schon rausguckt. Aber würde bei einem Gasspeicher nicht Gas rauszischen, wenn der Deckel hochgeklappt ist?

Das sind so Fragen, zum Jahresende hin. Die rühren am Grundsätzlichen, wenn physikalisch-grammatische Regeln außer Kraft gesetzt werden und sich ein Maximum doch steigern lässt. Die Berliner Verwaltung wäre dann nicht mehr nur eine einzige Katastrophe, sondern eine einzigste Katastrophe. Da kann man auch gleich den Fußballern recht geben, die behaupten, im Spiel hundertfünfzig Prozent gegeben zu haben.

Vielleicht muss man sich einen Gasspeicher aber auch als einen dehnbaren Begriff vorstellen. Zumal in diesen Zeiten, die sich wenden und in denen Gewissheiten ins Wanken geraten und die deutsche Nationalmannschaft jetzt offensichtlich immer in der Vorrunde rausfliegt.

100,02 Prozent,- die Bundesnetzagentur hat diese rahmensprengende Zahl kleinzureden versucht. Das Arbeitsvolumen der Speicher sei variabel, Gas habe einen unterschiedlich hohen Energiegehalt, es komme auf das Füllverhalten und geologische Besonderheiten an. Aber der Geist ist aus der Flasche: Voll ist nicht mehr voll; es gibt ein voller.

Ich bin gespannt, welche Folgen diese Erkenntnis haben wird, wenn die erstmal durchgesickert ist – in der Gesellschaft und auf den Tresen.