Bussard im Sturzflug
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100 Sekunden Leben - Berliner Jagd-Erlebnisse

Unser Kolumnist Thomas Hollmann hat sich als Berliner Touristenführer betätigt und dabei eine tierische Attraktion entdeckt.

Von der Goldelse sind wir zu Fuß weiter zum Brandenburger Tor. Ist ja nicht so weit. Als wir es plötzlich aus dem Gebüsch haben keuchen hören. Dass ich schon dachte: Na, da haben es Zwei aber nötig, dass die bei der Kälte und dem Regen ins Unterholz sind. Dann waren es aber sogar drei Männer, die da in grün-brauner Tarnkleidung durch die Hecke brachen.

In ihren Händen hielten sie haarige, zappelnde Würste. "Frettchen", sagte einer der Männer. "Und das da oben ist ein Wüstenbussard." Tatsächlich schwebte im grauen Berliner Himmel etwas Greifvogelartiges. "Der Vogel folgt den Hunden", erklärte der eine Tarnmann. "Welche Hunde?", wollte ich fragen, aber dann sprangen schon drei auf uns zu. "Kleiner Münsterländer und Cocker Spaniel, ideale Stöberhunde", meinte der Mann. Und die anderen beiden nickten. Wie auch die Frettchen ihre Zustimmung zu signalisieren schienen. Dass ich inzwischen der festen Überzeugung war, Zeuge einer Inszenierung von Frank Castorf zu sein. Aber weder Frank Castorf war zu sehen noch ein anderer Theater-Regisseur.

Für die Beizjagd nehme man eigentlich einen Falken, aber er habe halt einen Wüstenbussard, erklärte der Mann. "Schießen geht ja nicht, hier im Tiergarten." Das stimmt. Wenn man im Tiergarten ins Gebüsch ballert, liegt da nachher noch ein Mensch tot rum. Und das wollen die drei nicht. Die wollen Kaninchen jagen. Weil es von denen hier viel zu viele gebe.

Also scheuchen die Hunde die Karnickel in die Bauten, die Frettchen hinterher, und hüpfen die Kaninchen aus einem anderen Loch wieder raus, stürzt sich der Vogel drauf. Jetzt müssten sie aber weiter, seinem Wüstenbussard werde es sonst zu kalt.

Wir sind dann auch weiter. Aber das Brandenburger Tor stand einfach nur doof da. Total langweilig. Nicht mal eine Krähe hockte obendrauf