Elisabeth Borne, französische Premierministerin
MAXPPP
Bild: MAXPPP Download (mp3, 2 MB)

100 Sekunden Leben - Politischer Sakko-Zwang in Frankreich

Im französischen Parlament müssen die Abgeordneten künftig ein Sakko tragen. Die Leitung der Assemblée Nationale hat eine entsprechende Kleiderordnung erlassen. Und jetzt fragt sich unser Kolumnist Thomas Hollmann, ob es den Franzosen an Stil mangelt.

Ich dachte immer, in Frankreich gehe es bei allem politischen Extremismus eher locker und stilvoll zu. Aber wahrscheinlich ist das nur ein Vorurteil. Auch wenn "leger" aus dem Französischen kommt und Christian Dior kein deutscher Designer war.

An geschmackvollen Sakkos sollte es jedenfalls keinen Mangel geben. Dass die Abgeordneten dennoch zum Sakko gezwungen werden, kann jetzt zweierlei bedeuten. Erstens: Die Gauloises-Werbung hat recht, und die Pariser tapern lieber im Schlafanzug durch die Stadt. Oder zweitens: Die Franzosen sind kindische Trotzköpfe - und gleichzeitig Spießer. Wie Louis de Funès eben.

Ich tendiere zur zweiten Annahme, ist der parlamentarische Dresscode doch eine Antwort auf das demonstrative Tragen von T-Shirts und kurzen Hosen. Einige der französischen Grünen hatten sogar Sandalen an.

Auf der anderen Seite waren auch die deutschen Grünen bei ihrem Parlamentsantritt textil ziemlich anti. Turnschuhe, Latzhosen und Norweger-Pullover sind trotzdem und ohne Kleiderordnung aus den Plenarsälen wieder verschwunden. Und manche Grüne sitzen inzwischen gescheitelter da als ihre traditionellen Opponenten.

Die CSU-Abgeordnete Dorothee Bär etwa zeigte sich im Bundestag schon mal im Trikot des FC Bayern München. Wogegen die Linke protestierte. Nicht allerdings aus Gründen ästhetischer oder fußballerischer Verirrung, sondern weil man vermutete, die Staatssekretärin mache Schleichwerbung für die Telekom.

Die ist noch immer Sponsor der Bayern. Inzwischen steht aber auch noch "Qatar Airways" auf dem Trikot. Weshalb ich vermute, Frau Bär wird erst einmal nicht mehr in Vereinskluft im Bundestag auflaufen. Außer, die Bayern schneidern noch schnell ein schickes WM-Sakko.