Ein Model trägt eine Jacke mit dem neuen Muster der BVG.
picture alliance / Eventpress
Bild: picture alliance / Eventpress Download (mp3, 2 MB)

100 Sekunden Leben - Rumlaufen wie ein Sitzpolster

Die BVG verkauft seit dieser Woche T-Shirts, Socken, Jacken, Westen und Pullover, die gemustert sind wie die neuen Bezüge in Bus und U-Bahn. Unser Kolumnist Thomas Hollmann trägt aber lieber weiterhin einfarbige Klamotten.

Die Socken der BVG sind ein "Musterbeispiel an Vielfalt" und ein "Zeichen für Akzeptanz und Toleranz". Sagt die BVG. Was im Umkehrschluss bedeuten könnte, dass ich für die Diktatur und gegen das Selbstbestimmungsrecht der Menschen bin. Denn ich habe nur schwarzen Socken. Bestimmt 20 Paar. Und die will ich nicht alle wegschmeißen müssen. Was ja auch wenig nachhaltig wäre. Vor allem aber möchte ich nicht diese multi-kolorierten Diversity-Socken der BVG tragen. Ich finde die einfach hässlich.

Was die BVG früher auch mal fand. Dass es ihrem Sitzpolster-Muster an "ästhetischen Ansprüchen" fehle. So hatte das Unternehmen vor Gericht argumentiert. In der Hoffnung, dem Designer kein Geld mehr zahlen zu müssen. Das Landgericht Hamburg befand jedoch, Hässlichkeit sei eine bloße Geschmacksfrage - und kein Argument für oder gegen die Urheberrechtsfähigkeit.

Deshalb müssen die altbekannten blau-weiß-rot-schwarzen Kringel-Polster raus aus Bus und Bahn. Und weil die BVG nicht blöd ist und weiß, wohin der Zug der Zeit fährt, hat sie aus den Kringeln einfach menschliche Silhouetten gemacht - und voilà: Die BVG ist auf der guten Seite und auch noch total cool und voll Berlin.

Ursprünglich hatte die Vielfarbigkeit der Polster im Übrigen einen rein praktischen Grund: Hatte jemand mit dem Edding auf dem Sitz rumgekritzelt oder darauf gekotzt, dann sah man das kaum. Aber in den heutigen moralischen Zeiten verbietet sich ein solch profanes Anwendungsargument natürlich. Wobei mich das schon interessieren würde, mit wieviel Anstand man die Diversitäts-Socken der BVG waschen muss.