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100 Sekunden Leben - Grelle Disco - mitten in der Energiekrise

In Berlin wird es am Freitagabend hell und bunt. Das "Festival of Lights" erleuchtet wieder die Stadt. Anderthalb Wochen lang wird Lichtkunst an öffentlichen Orten gezeigt. Unser Kolumnist Thomas Hollmann kriegt da die Energiekrise.

Da wurde mir gerade erst beigebracht, dass es für den Weltfrieden und die nationale Stromsicherheit von elementarer Bedeutung ist, dass das Brandenburger Tor nachts im Dunkeln dasteht und jetzt ist da plötzlich grelle Disco: Flacker-flacker-strahl-strahl. Also, da komm' ich nicht mehr mit.

Auch wenn schon um 23 Uhr Schluss ist und diesmal nur die Hälfte der Orte illuminiert werden und auf dem Oktoberfest sowieso viel mehr Strom verbraucht wird. Wie die Veranstalter sich zu rechtfertigen versuchen. Alleine, dass sie sich rechtfertigen, zeigt, dass Licht nicht nur erleuchten, sondern auch ein schlechtes Gewissen machen kann. Flugscham, Heizscham, Duschscham, Leuchtscham. Wie soll man die Strahlkunst da gut finden, wenn die EU vor dem Blackout warnt?

Auf der anderen Seite ist Angst kein guter Ratgeber. Und eine totale Verdunkelung birgt die Gefahr, dass man später im Jahr vor den aufgestellten Weihnachtsbaum läuft, wenn darauf nicht zumindest eine Kerze leuchtet. Als Positionslicht, sozusagen. Funzel-funzel statt flacker-flacker.

Gerade in schwierigen Zeiten sei es wichtig, mit Lichtkunst "Momente des Innehaltens und der Freude zu schenken", heißt es auf der Homepage des "Festival of Lights". Würde mich nicht wundern, wenn die Veranstalter auch noch den Nährwert des Lichts ins Argumentationsfeld führten.

Gibt es doch Leute, die Licht essen. Habe ich recherchiert. Dazu brauchen die weder Messer noch Gabel; die Nahrungsaufnahme geschieht per Meditation. Und das ist total nachhaltig und lässt das Licht nochmal in einem ganz anderen dastehen. Wenn erst einmal unser aller Stuhlgang entfällt. Da haben wir nicht nur mehr Zeit, das spart auch jede Menge Wasser.