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100 Sekunden Leben - Der Freiheit einen Haken schlagen

Am Donnerstag war nicht nur Vatertag, es ist auch die Corona-Arbeitsschutzverordnung ausgelaufen. Im Büro müssen weder Masken getragen werden, noch muss Abstand gehalten werden. Kolumnist Thomas Hollmann weiß allerdings nicht, ob er sich über diesen Freiheitsgewinn freuen soll.

Freiheit muss man lernen. Hat man damals den DDR-Bürgern gesagt. Und jetzt bin ich selber einer. Darf plötzlich wieder alles, weiß aber nicht, ob ich das überhaupt will, so ganz ohne Maske und Abstand.

Zumal ich plötzlich wieder freundlich gucken muss, wenn mir eine Kollegin begegnet. Das musste ich mit Maske nicht. Da konnte ich mich mimik-mäßig so richtig schön gehen lassen. Die Maske als Gesichts-Jogginghose, das war schon bequem.

Wobei ich glaube: Die eine Kollegin hat ihre Maske nicht aus Nachlässigkeit zwei Jahren ohne Unterbrechung getragen, sondern aus Angst. Die hat immer wie überfallen geguckt, wenn man auch mal in die Teeküche wollte. Vielleicht sollte man der das Hamburger Modell anbieten, damit sie schrittweise zurückfindet in den maskenlosen Arbeitsalltag.

Weil ja auch viele Kollegen wieder geradeaus laufen dürften, statt Haken um die anderen zu schlagen. Man muss ja nicht mehr auf Abstand machen. Dabei schult das Hakenschlagen die Reflexe, habe ich festgestellt. Ich glaube, ich behalte das Hakenschlagen bei.

Und womöglich werden manche auch ihre Maske weiter aufbehalten. Bei mir im Bio-Supermarkt tragen die meisten auch noch Kunstfaser über der Nase und gucken einen böse an, wenn man das nicht tut. Während einem bei Lidl der Hintermann feucht in den Nacken hustet. Die Menschen sind halt unterschiedlich.

Vielleicht sollten wir diese Vielfalt aber auch einfach genießen, solange es die noch gibt. Der Bundesgesundheitsminister arbeitet bereits an einem neuen Infektionsschutzgesetz. Wenn im Herbst die sechste Welle anschwappt, soll die Maskenpflicht zurückkommen, hat der Lauterbach bei Lanz gesagt. Immerhin: Für Jogginghosen-Fans ist das eine gute Nachricht.