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100 Sekunden Leben - Alles andere als lustig

Im Erzbistum München und Freising gab es hunderte Fälle von sexuellem Missbrauch. Das ist das Ergebnis eines Gutachtens - seitdem wird über Konsequenzen diskutiert. Unser Kolumnist Thomas Hollmann vermisst dabei aber die Ursachenforschung.

Nein, das ist nicht lustig. Und das wird jetzt auch nicht lustig. Denn wenn seit bald zwei Wochen über den sexuellen Missbrauch katholischer Pfarrer diskutiert wird, aber niemand über das Zölibat redet, wollen mir keine Witze einfallen.

Ja, es ist richtig und wichtig, Täter zu belangen und herauszufinden, ob der spätere Papst Fälle vertuscht hat. Aber noch wichtiger ist es doch, in Zukunft Missbrauch zu verhindern. Denn noch immer gibt es Messdiener und Priester - und das Zölibat. Und da muss man doch mal grundsätzlich werden und fragen, wie viele der 497 dokumentierten Fälle nicht passiert wären, hätten die Priester ihre Sexualität ohne Verbot und Verklemmung und Verirrung ausleben können. Ich nehme an: viele.

Überhaupt: Warum ist die katholische Kirche so besessen von Sex? Warum ist das so ein großes Thema? Lässt sich Gottes Auftrag tatsächlich nur ohne Ejakulation erfüllen? Ich habe da meine Zweifel. Wie ich grundsätzlich Menschen misstraue, die weniger Mensch sein wollen. Oder sollte man hier besser sagen: weniger Tier? Das Zölibat als Exorzieren des Triebhaften.

Ein Kollege erzählte mir kürzlich, wie sein Schwimmunterricht im katholischen Internat stets endete. Nämlich mit der Aufforderung des Paters, die Badehose herunterzuziehen. Dann ist der Lehrer untergetaucht und hat nachgeschaut, ob die Elfjährigen auch alle seiner Aufforderung nachgekommen sind.

Diese verklemmt, verqueren Zeiten mögen vorbei sein. Aber vielleicht nur, weil der Pater heute im Internet nachschauen kann. Und das ist doch die entscheidende Frage, die gestellt werden muss, auch wenn sie alles andere als lustig ist: Würde es ohne Zölibat weniger Opfer geben?