Interview - Lang (Grüne): Merz schiebt Verantwortung zu den Bürgern
Die Wirtschaftskrise scheint den Arbeitsmarkt zu erreichen. Ricarda Lang (Grüne) sagt, sie mache sich Sorgen, weil in der Industrie Jobs abgebaut würden. Den Arbeitnehmern dürfe aber nicht unterstellt werden, faul zu sein.
Siemens, Continental, Audi: Viele große deutsche Industrieunternehmen wollen Personal abbauen. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) fordert deshalb eine gewaltige Kraftanstrengung der Deutschen, um das Land wieder wettbewerbsfähig zu machen. Ricarda Lang (Grüne) sieht vor allem die Bundesregierung in der Verantwortung, die Rahmenbedingung dafür zu schaffen, dass die Menschen, die mehr arbeiten wollen, das auch können.
Denn viele Frauen, die in Teilzeit arbeiten, würden gerne ihre Arbeitszeit erhöhen: "Die Aufgabe eines Kanzlers wäre es, diese Menschen zu unterstützen: mit Kitaausbau, auch mit zum Beispiel mehr Geld für pflegende Angehörige oder indem er dafür sorgt, dass Mieten bezahlbar sind und man von seinem Lohn überhaupt leben kann."
Lang: "Faules Vorgehen von dieser Bundesregierung"
Der Kanzler mache aber genau das Gegenteil, kritisiert die ehemalige Parteivorsitzende: "Bevor er selbst irgendeine Aufgabe erledigt hat, schiebt er die Verantwortung zu den Bürgern und redet die faul. Und das finde ich ehrlich gesagt einfach ein faules Vorgehen von dieser Bundesregierung." Statt die wirklichen Probleme zu lösen, würden etwa die Arbeitslosen, die sich einer Arbeitsvermittlung verweigern, überproportional ins Zentrum gestellt.
Dass die Union den Vermittlungsvorrang beim Bürgergeld wieder einführen wolle, bedeute, dass Menschen irgendeinen Job annehmen müssen. Das führe aber nur dazu, dass die Leute nach ein paar Monaten wieder arbeitslos seien, sagt Lang. "Was wir mit dem Bürgergeld eingeführt hatten, und ich kann der neuen Koalition nur empfehlen, das beizubehalten, ist, dass es einen Vorrang für Weiterbildung gibt, dass die Leute wirklich qualifiziert werden, sodass sie eben nicht nur für ein paar Wochen oder für ein paar Monate, sondern dauerhaft in den Arbeitsmarkt vermittelt werden und so auch dauerhaft unabhängig werden von Sozialleistungen."