Interview - IW-Ökonom Hüther: Brücken sanieren ist kein Luxus
Muss die Schuldenbremse reformiert werden? Ja - sagt der Ökonom Michael Hüther (IW) und veranschlagt für Infrastruktur und Bundeswehr jeweils 600 Milliarden Euro.
Eine der wichtigsten Fragen nach der Bundestagswahl: Wie geht es weiter mit der Schuldenbremse? Wird sie reformiert - oder nicht? Der designierte Kanzler Friedrich Merz (CDU) sendet dabei gemischte Signale: Erst konnte er sich eine Reform vorstellen – dann ruderte er zurück. Das Problem: Wenn Reform, dann muss es schnell passieren – denn wenn erst einmal der neue Bundestag konstituiert ist, könnte die Opposition sie blockieren.
Woher also will eine neue unionsgeführte Regierung Geld für Militär und Investitionen nehmen? Für Michael Hüther, Ökonom und Direktor des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, ist die Sache klar: "Wir sind […] vor der Aufgabe, dass wir 30 Jahre Unterfinanzierung kompensieren müssen. Das schafft man halt nicht in einem normalen Haushalt." Hüther geht von 600 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren, die nötig wären, um Infrastruktur wieder auf das Niveau zu bringen, das man für eine wirtschaftliche Dynamik bräuchte.
600 Milliarden für die Infrastruktur, 600 Milliarden für die Bundeswehr
Gleichzeitig müsse die dauerhafte Finanzierung der Bundeswehr gewährleistet werden. Auch hier geht Hüther von rund 600 Milliarden aus, die notwendig seien: "Insofern gibt es an beiden Stellen Handlungsbedarf jenseits der Schuldenbremse, ob man das über Sondervermögen macht oder über andere Wege. Aber das ist gedanklich jetzt alles nicht richtig vorbereitet. Aus der Hüfte geschossen wird man das in den letzten dreieinhalb eines noch amtierenden Bundestages das meiner Meinung nach nicht hinbekommen."
Schnell machbar sei eine Erhöhung des Sondervermögens für die Bundeswehr, weil dieses bereits im Grundgesetz stehe, so der Ökonom. Anders sieht es bei der Infrastruktur aus. Für einen solchen Fond müsste Vieles geklärt werden: "Was ist denn das notwendige Volumen? […] Was hält man für notwendig? Wie steuert man das vor allen Dingen? Dieser Fond muss ja ganz anders begleitet […] werden, damit das Geld auch wirklich in die Investition geht – und das sehe ich ehrlich gesagt in der kurzen Zeit nicht."
Hüther: Kluger Ton von allen Seiten
Hüther weist darauf hin, wie eminent wichtig eine Ertüchtigung der Infrastruktur für einen wirtschaftlichen Aufschwung ist: "Es wird immer so getan, als sei das ein Luxus, aber es ist halt aber kein Luxus. Es ist alternativlos, kaputte Brücken zu sanieren. Das muss ins Auge gefasst werden und da muss auch relativ schnell klar werden, wie man das macht."
In dieser Frage sei denkbar, dass man auch im neu zusammengesetzten Bundestag eine Einigkeit mit Grünen und Linken erreichen könnte: „Denn das sehen ja irgendwie alle.“ Dafür brauche es einen klugen Ton und die Klarheit von allen Beteiligten, was man will – insbesondere von der Union: "Führung heißt: Klare Ansage – aber auch konziliante Ansage."