Tareq Alaows steht vor dem Reichstagsgebäude in Berlin.
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Interview - Pro Asyl fordert Unterstützung für Syrer statt Stimmungsmache

Tareq Alaows kam 2015 als Flüchtling nach Deutschland und ist heute Sprecher von Pro Asyl. Es beschreibt die Lage in Syrien - und die Gefühlslage vieler Syrer als komplex und fordert Unterstützung aus der Politik.

Nach dem Sturz des Assad-Regimes ist die Lage in Syrien unübersichtlich. Der bisherige syrische Ministerpräsident al-Dschalali stimmt einer Machtübergabe an die Aufständischen zu. Was für eine Art Regierung diese etablieren, wohin das Land steuert, ist alles noch unklar. Gleichzeitig wird in Deutschland eine Debatte über die Rückkehr syrischer Flüchtlinge geführt.

Auch Tareq Alaows kam 2015 als Flüchtling nach Deutschland – mittlerweile ist er eingebürgert und Sprecher der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl. Er sagt, er sei sehr froh über den Sturz Assads Regime, "ein Regime, das uns gefoltert, verfolgt, bombardiert und getötet hat als syrische Bevölkerung. Dieses Regime hat keine Kontrolle mehr über unser Leben."

Alaows: Es gibt die Chance "auf ein Syrien der Freiheit"

 

Auf der anderen Seite besteht auch bei ihm Angst: Die Mächtigsten gerade in Syrien seien islamistische Gruppen, von denen man nicht wisse, in welche Richtung sie das Land brächten. Es gebe aber die Hoffnung und die Chance, auf "ein Syrien der Freiheit, der Demokratie, wenn jetzt Demokratieprozesse eingeleitet würden und die internationale Gemeinschaft hilft, eine Demokratie in Syrien aufzubauen."

Auch bei den Syrern, die mittlerweile in Deutschland leben, gebe es eine große Bereitschaft, dabei zu helfen – "wenn die Voraussetzungen stimmen", sagt Alaows. "Wir wissen nicht, in welche Richtung das gerade geht, es gibt immer noch viele bewaffnete Gruppen. […] Es gibt viele Staaten, die politische Interessen in Syrien haben. Es ist sehr komplex."

Syrer bräuchten keine Anreize, "sondern Sicherheit und Ruhe in Syrien"

 

Deswegen findet er die Debatte, Syrer jetzt schnell zurückzuschicken, sehr verkürzt: "Ich glaube, viele aus der Community sind bereit, selbst nach Syrien zurückzugehen und das Land aufzubauen. […] Ich glaube, die Erwartung war nicht eine Debatte über die Rückkehr in Deutschland zu öffnen, sondern zu sehen, wie Deutschland die syrische Exilcommunity unterstützen könnte."

Beispielsweise habe Deutschland Erfahrung mit dem Thema Aufarbeitung, sagt der Pro-Asyl-Sprecher: "Da haben wir eine große Aufgabe in Syrien, auch diese Verbrechen der Menschlichkeit aufzuarbeiten – da können wir von der Expertise Deutschlands viel lernen." Außerdem könnte Deutschland sich dafür einsetzen, dass die Exilsyrer bei Gesprächen zum Wiederaufbau des Landes beteiligt würden.

Vorschläge wie den von Jens Spahn (CDU), Syrern einen Flug und Startkapital anzubieten, damit sie zurückgingen, empfindet Alaows als politische Stimmungsmache in Hinblick auf den Wahlkampf: "Viele aus der Community brauchen keine Anreize, sie brauchen einfach Sicherheit und Ruhe in Syrien. Deswegen hätte ich von einem Politiker der CDU, dass sie auch diese Community unterstützen, anstatt auf deren Schultern jetzt Wahlkampf zu machen."

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