Interview - Politologe über Labour-Sieg: Erdrutsch mit Abstrichen
Großbritannien steht nach 14 Jahren vor einem Regierungswechsel. Der britische Politikwissenschaftler und Historiker Anthony Glees erklärt, warum der Labour-Sieg nicht ganz so deutlich ist, wie es auf den ersten Blick erscheint.
Im britschen Unterhaus sei mit der Wahl bei der Sitzverteilung ein "Erdrutsch geschehen", sagt Anthony Glees. "Da ist die politische Landschaft völlig verändert." Laut ersten Teilergebnissen hat die Labour-Partei bei der Parlamentswahl eine absolute Mehrheit erzielt. Sie hat demnach mehr als die nötigen 326 Sitze im Unterhaus sicher. Der konservative Regierungschef Rishi Sunak hat seine Niederlage schon eingeräumt.
Laut Glees, der an der Universität in Buckingham forscht, bleiben aber trotzdem Fragen offen. Obwohl Labour-Chef Keir Starmer den "Erdrutsch bekommen" habe, sei der Stimmenanteil gar nicht so groß gewesen.
Denn Prognosen zufolge haben nicht nur Sunaks Tories Wähler an rechte Parteien verloren, sondern auch die sozialdemokratische Labour-Partei. Sie konnte dank des britischen Wahlsystems mit einem Stimmenanteil von wohl deutlich weniger als vierzig Prozent die absolute Mehrheit erzielen. In Großbritannien gewinnt jeweils nur der Kandidat mit den meisten Stimmen im Wahlkreis das Direktmandat, alle anderen Stimmen fallen unter den Tisch.
"Unter der Oberfläche gibt es doch viele Verwirrungen und zukünftige Probleme, besonders am rechten Flügel", schlussfolgert Glees.