Interview - Mehr einsatzbereite Atomwaffen weltweit
Die Zahl der einsatzbereiten Atomwaffen ist laut dem internationalen Friedensforschungsinstitut SIPRI weltweit gestiegen. Johannes Oehler von ICAN Deutschland, einer Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen, kritisiert vor allem die Aufrüstungstrategie der USA und Chinas.
Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine bemüht sich nicht nur Deutschland darum wieder kriegstüchtig zu werden. Weltweit stehen die Zeichen auf Aufrüstung. Das zeigt auch der aktuelle Jahresbericht des schwedischen Friedensforschungsinstituts SIPRI. Laut dem Institut gibt es derzeit etwa 12 000 Atomsprengköpfe, über 2000 davon sollen sich in höchster Einsatzbereitschaft befinden. Außerdem zählt SIPRI im Vergleich zu 2022 einen Zuwachs von 60 Atomsprengköpfen.
"In den letzten fünf Jahren ging es leider nur bergauf", sagt Johannes Oehler, der für die internationale Kampagne iCan arbeitet, die für atomare Abrüstung kämpft und dafür 2017 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Das zeige auch der aktuelle Ausgabenbericht, den iCan zeitgleich mit dem SIPRI-Bericht am Montag veröffentlicht hat. "Es werden über 90 Milliarden US-Dollar pro Jahr von den neun Atomwaffen-Staaten ausgegeben, um ihre Arsenale zu modernisieren und neue Waffen zu bauen."
Vor allem die USA und China rüsten auf
Über die Hälfte der Ausgaben, genau 51 Mrd. Dollar, entfallen laut Oehler auf die USA. Danach folge China mit von 12 Mrd. Dollar, das Russland bei den Atomwaffenausgaben überholt habe. Es folgen Großbritannien mit 8 Mrd. und Frankreich mit 6 Mrd. Dollar. Der Rest verteilt sich auf die anderen vier Atomstaaten Israel, Indien, Pakistan und Nordkorea.
Vor allem die USA und China hätten in den vergangenen Jahren sehr viel in die Modernisierung und Erweiterung ihrer Atomwaffenarsenale investiert, sagt Oehler. Er warnt vor einer Strategie der nuklearen Abschreckung zwischen den beiden Weltmächten, weil der Einsatz von Atomwaffen dem geltenden Völkerrecht widerspreche. Die Drohung Atomwaffen einzusetzen, sei deswegen auch ein Angriff auf das Völkerrecht und damit auf die internationale Ordnung. "Leider sehen wir da aktuell, dass wir uns ganz massiv auf dem falschen Weg befinden."