Eine Frau arbeitet am Computer
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Interview - Arbeitsmarktforscher: "X-Tage-Woche" ist die Zukunft

Beim Thema Arbeitszeit herrscht Uneinigkeit in Deutschland: Die eine Seite fordert die Vier-Tage-Woche, die andere, dass wegen des Fachkäftemangels künftig viel mehr gearbeitet werden muss. Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung fordert eine Wahl-Arbeitszeit, die sich der Lebenssituation anpassen lässt.

Rund 330 000 Menschen sind am Mittwoch zum Tag der Arbeit für "gute Arbeit" auf die Straße gegangen. Aber: Was ist eigentlich "gute Arbeit"? Die Meinungen dazu gehen auseinander. Während die einen von einer Vier-Tage-Woche träumen, sagen die anderen, in Zukunft müsse wieder viel mehr gearbeitet werden in Deutschland.

Enzo Weber ist Arbeitsmarktforscher und Prognostiker, unter anderem am Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung DIRA. In der Tat, so Weber, sei die durchschnittliche Arbeitszeit in Deutschland im europäischen Vergleich relativ niedrig - das liege allerdings daran, dass hierzulande viele Frauen am Arbeitsmarkt beteiligt seien und oft in Teilzeit arbeiteten. "Wenn man nur auf die Arbeitszeiten in der Vollzeit schaut, dann liegt Deutschland in der EU ganz normal."

Hinzuverdienste: Weber fordert Verbesserungen

Wieviel jemand arbeiten - und verdienen - wolle, müsse jeder Arbeitnehmer selbst abwägen, so der Arbeitsmarktforscher. Deswegen plädiere er dafür, den Menschen die "X-Tage-Woche" anzubieten: "Die Wahl-Arbeitszeit, je nach Lebenslage - das ist für mich die Zukunft."

Mehr Arbeit für jeden sei nicht der richtige Weg, aber es gebe Gruppen, bei denen mehr Arbeit sinnvoll wäre, weil die Beteiligten das auch wünschten - "bei Minijobbern zum Beispiel." Doch dafür seinen die steuerlichen Anreize oft zu gering. "Wenn man Sozialleistungen bezieht, Bürgergeld, Wohngeld, und dann sein Einkommen ausweitet, wird einem oft ganz viel davon angerechnet, sodass man kaum etwas behalten kann." Bei diesen Hinzuverdiensten müsse es Verbesserungen geben.

Fachkräftemangel - "Sind Opfer des eigenen Erfolgs"

Unterm Strich sieht Weber einen "tollen Arbeitsmarkt-Aufschwung" - und der wiederum führe zu Fachkräftemangel. Man sei näher an der Vollbeschäftigung als früher und dementsprechend gebe es auch einen intensiven Wettbewerb um Arbeitskräfte. "Da sind wir Opfer des eigenen Erfolgs."

Ungenutzte Potentiale sieht der Forscher noch bei Menschen, die nicht gut in den Arbeitsmarkt integriert seien, nämlich bei Minijobbern, Frauen und oft auch bei Zugewanderten. "Wir haben sehr hohe Zuwanderung, aber was wir im Inland daraus machen, ist oft zu wenig", so Weber. "Also besser integrieren, berufsbegleitend qualifizieren - da sind die Potenziale."

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