Oppositionsanhänger halten ein Porträt der beiden inhaftierten PiS-Politiker, dem ehemaligen Innenministers Kaminski und dem ehemaligen stellvertretenden Innenministers Wasik, hoch. (Bild: Radek Pietruszka/PAP/dpa)
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Interview - Polenexperte: PiS versucht sich krampfhaft an Macht zu halten

In Polen hat die nationalkonservative PiS zu einer Demonstration gegen die Mitte-Links-Regierung von Donald Tusk aufgerufen. Im Fukos steht die Verhaftung von zwei rechtskräftig verurteilten PiS-Politikern. Polenexperte Peter Oliver Loew erklärt, wie sich der Machtkampf im Land gestaltet.

Was in Polen aktuell passiert, sei alles sehr komplex, sagt Peter Oliver Loew, Direktor des Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt. "Wir haben es mit einem Aufeinandertreffen unterschiedlicher Vorstellungen von Staat und von der Funktion der Institutionen zu tun." Die nationalkonservative PiS versuche sich nach der verlorenen Wahl krampfhaft an der Macht zu halten.

"Und Parteichef [Jarosław] Kaczyński versucht, durch das Schüren von Emotionen die Anhänger bei der Stange zu halten." Im Fall der durch Präsident Andrzej Duda vorzeitig begnadigten PiS-Politiker sagten die juristischen Experten, das ginge nicht, so Loew: "Man kann nur jemanden begnadigen, der schon rechtskräftig verurteilt worden ist."

Inzwischen habe der Staatspräsident die beiden Politiker noch einmal begnadigt und somit den PiS-Protesten den Boden entzogen. "Dadurch wird ja quasi diese rhetorische Aufrüstung der PiS in den letzten ein, zwei Wochen konterkariert." Duda sei möglicherweise bereit, mit der Regierung zu einer Kohabitation mit der Regierung zu kommen.

Ministerpräsident Donald Tusk auf der anderen Seite habe aus seiner letzten Amtszeit gelernt, dass er 2007 nicht konsequent genug gegen die Rechtsbrüche der PiS-Regierung vorgegangen sei. Nun wolle der Chef der Mitte-Links-Regierung die Dinge durchziehen, so der Polenexperte.

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Ursprünglich sollte sich der Protest gegen die Umgestaltung der öffentlichen Medien richten. Die Regierung von Tusk hatte vor einigen Wochen mit dem Umbau des Fernsehsenders TVP, des polnischen Radios sowie der Nachrichtenagentur PAP begonnen, die die PiS in ihrer achtjährigen Regierungszeit unter ihre Kontrolle gebracht hatte.

Allerdings hat der Konflikt um die Verhaftung von zwei rechtskräftig verurteilten PiS-Politikern den Fokus der Veranstaltung verschoben. Ex-Innenminister Mariusz Kaminski und sein früherer Staatssekretär Maciej Wasik waren am Dienstag verhaftet und ins Gefängnis gebracht worden, nachdem sie zunächst Schutz im Präsidentenpalast bei Staatsoberhaupt Andrzej Duda gesucht hatten.

Die PiS bezeichnet die beiden als "politische Gefangene". Duda, der aus den Reihen der PiS
stammt, kündigte am Mittwoch an, dass er für ihre Freilassung kämpfen werde.

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