Interview - Libyen: Politische Lage erschwert Hilfe nach Flutkatastrophe
Die Unwetter-Katastrophe in Libyen trifft auf ein politisch instabiles Land: Im Westen und Osten haben zwei unterschiedliche Regierungen das Sagen, verschiedene Milizen bekämpfen sich gegenseitig. Hilfe für die Opfer der Umweltkatastrophe zu organisieren, sei in dieser Situation extrem kompliziert, sagt Thomas Volk von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Tunis.
Seit 2011 der langjährige Machthaber Muamad Gaddafi gestürzt wurde, kommt Libyen nicht zur Ruhe. Milizen kämpfen gegeneinander, das Land ist gespalten – immer wieder gibt es Kämpfe. Auf diese Gemengelage sind jetzt die verheerenden Überschwemmungen getroffen und haben eine humanitäre Katastrophe ausgelöst.
Das Land befindet sich in einer politischen Legitimationskrise, sagt Thomas Volk, Leiter des Programms "Politischer Dialog im südlichen Mittelmeerraum" der Konrad-Adenauer-Stiftung in Tunis. Seit 2014 hätten keine Parlamentswahlen in Libyen mehr stattgefunden. Im Westen regiere die international anerkannte Regierung der sogenannten Nationalen Einheit, erklärt Volk. Im Osten bestehe seit März 2022 eine nicht anerkannte Konkurrenzregierung, die komplett im Einflussbereich des Warlords General Haftar liege.
Keine zivilgesellschaftlichen Organisationen mehr in Libyen
Man könne inzwischen davon sprechen, dass Libyen ein Milizenstaat sei. "Es gibt im Grunde eine Symbiose aus Staat und Milizen, weil die staatliche Funktionalität nicht mehr gewährleistet ist", sagt Volk.
Aufgrund dieser Lage gebe es keine starken zivilgesellschaftlichen Organisationen im Land. Auch eine Koordination zwischen den beiden rivalisierenden Regierungen sei im aktuellen Katastrophenfall nicht existent. Es fehle außerdem an bürokratischen Strukturen. "Daher ist die Hilfe zu organisieren jetzt umso komplexer", so der Experte.