Wahlkampf von Kemal Kilicdaroglu in der Türkei
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Interview - Böll-Stiftung zur Türkei-Wahl: Gibt Anzeichen für einen Wechsel

Kurz vor den Wahlen in der Türkei ist die Opposition gleichauf mit der Regierung. Dawid Bartelt, Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Istanbul sagt, dass eine Niederlage Erdoğans tatsächlich möglich sein könnte. Man verbiete sich aber zu großen Optimismus, da sich niemand vorstellen könne, dass der Präsident einfach geht.

Die Menschen in der Türkei, die einen Regierungswechsel wollen, seien kurz vor der Wahl angespannt, berichtet Dawid Bartelt. Er leitet das Büro der Heinrich-Böll-Stiftung in Istanbul. "Viele verbieten sich auch einen zu großen Optimismus." Zum einen, weil die Umfragen nicht unbedingt belastbar seien, zum anderen auch, weil nicht klar sei, ob Recep Tayyip Erdoğan überhaupt zurücktreten würde. Aber er sagt auch: "Es gibt tatsächlich Anzeichen für einen Wechsel."

Bartelt: Niemand kann sich vorstellen, dass Erdoğan einfach geht

 

Sollte es wirklich zu einer Wahlniederlage kommen, könne es durchaus sein, dass der langjährige türkische Präsident das Ergebnis nicht akzeptiert. "Es kann sich hier wirklich niemand vorstellen, dass Erdoğan einfach geht und dann Rosen züchtet." Immerhin habe er in den vergangenen Jahren seine Macht institutionell erheblich ausgebaut. So kontrolliere er weite Teile der Justiz und die großen Medien - "diese Kontrollmechanismen könnte er einsetzen", sagt Bartelt von der Böll-Stiftung.

Dennoch seien Wahlen in der Türkei sehr wichtig - man erwarte eine Wahlbeteiligung von an die 90 Prozent. Es werde auch sehr intensive Wahlbeobachtung aus dem In- und Ausland geben. Wenn der Kandidat des Oppositionsbündnisses, Kemal Kılıçdaroğlu, sehr deutlich die Wahl gewinne, sinke die Chance, dass Erdoğan "irgendwelche manipulativen Manöver" vornimmt.

"Erdoğan steht immer noch als Vater der Nation da"

 

Bartelt geht davon aus, dass das angebliche Missmanagement und die Korruption im Zusammenhang mit den Erdbebenschäden dem amtierenden Präsidenten bei der Wahl nicht schaden werden. "Er steht halt als Vater der Nation immer noch da, der ja auch unbestreitbar in den letzten 20 Jahren die Türkei wirklich vorangebracht hat." Das würden die Menschen an Erdoğan schätzen und honorieren. Viele würden fragen: "Wenn nicht er, wer soll es dann richten?"

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