Über der Flamme eines Feuerzeuges kocht ein Drogensüchtiger im Druckraum eine Portion Heroin in einem Löffel auf.
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Interview - Suchthilfeträger: Brauchen mehr niedrigschwellige Angebote

Die Zahl der Drogentoten in Deutschland ist wieder gestiegen. Laut dem Bundesdrogenbeauftragten starben 2022 fast 2000 Menschen durch den Konsum illegaler Drogen - 230 davon in Berlin. Lars Behrends vom Suchthilfeträger Vista merkt, dass die Zahl der Hilfesuchenden zunimmt. Für sie brauche es mehr niedrigschwellige Angebote.

Die neuen Zahlen des Drogenbeauftragten der Bundesregierung überraschen Lars Behrends vom Suchthilfeträger Vista nicht: "Wir merken, dass einerseits die Zahl der Hilfesuchenden stetig zunimmt, gerade in den Drogenkonsumräumen." Anderseits gebe es zunehmende "Verelendungstendenzen", wodurch sich die Probleme verschärfen und mehr Menschen zu Tode kommen würden. So habe man mit deutlich mehr Menschen zu tun, die aus den Versorgungssystemen rausfallen, da sie etwa nicht krankenversichert seien.

Für sie brauche es mehr niedrigschwellige Angebote zur Hilfe, fordert Behrends, der bei Vista Fachbereichsleiter genau dafür ist und unter anderem Drogenkonsumräume betreut. "Die Angebote, die gut funktionieren, müssen natürlich auch geöffnet werden." Das Substitutionsprogramm funktioniere in Deutschland seit vielen Jahren sehr gut. Das könnte ausgeweitet und attraktiver gemacht werden - auch für Ärztinnen und Ärzte.

Suchthilfeträger Vista: Es fehlen Drogenkonsumräume in Berlin

 

Dafür brauche es mehr Geld, wobei Behrends betont: "Auf der anderen Seite spart man durch eine funktionierende Hilfe viel Geld." So sei ein Therapieplatz günstiger als ein Haftplatz. In Berlin brauche es noch einige weitere Drogenkonsumräume. Der Senat sei dazu zwar durchaus bereit, es fehle aber an geeigneten Immobilien.

Hintergrund

Mehr Drogentote in Deutschland

Die Zahl der Drogentoten ist weiter gestiegen. Im vergangenen Jahr starben nach Angaben des Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Burkhard Blienert, 1990 Menschen an den Folgen des Missbrauchs illegaler Drogen. Das waren 164 mehr als im Jahr davor.

Der SPD-Politiker gab die Zahlen am Donnerstag in Berlin bekannt und nannte sie "schockierend und alarmierend". "Sucht ist eine Krankheit, kein Stigma. Suchtkranke Menschen dürfen nicht länger ausgegrenzt werden. Deshalb müssen wir über Drogenkonsum, über eine bessere Suchthilfe und mehr Prävention sprechen", sagte Blienert.

Den Angaben zufolge gab es in den vergangenen Jahren einen kontinuierlichen Anstieg. 2012 waren es demnach noch 944 Menschen, die an den Folgen des Konsums illegaler Substanzen gestorben sind. Einschränkend wird angemerkt, dass die Aussagekraft der Daten begrenzt und fehleranfällig sei, was an unterschiedlichen Erfassungsmethoden in den Bundesländern liege.

Haupttodesursachen waren demnach 2022 weiterhin Opioide (1194 Todesfälle) - dazu zählen Heroin, Morphin, Methadon oder etwa das Schmerzmittel Fentanyl. Todesursächlich seien vielfach auch die Langzeitfolgen des Drogenkonsums (663 Fälle). Einen Anstieg der Todesfälle gab es auch durch sogenannte polyvalente Vergiftungen, also durch Mischkonsum verschiedener Drogen. Hier werden vor allem Kokain, Crack, Amphetamine und psychoaktive Medikamente genannt. Die meisten der im Schnitt knapp 41 Jahre alten Todesopfer waren Männer (1648).

Wie in den Vorjahren wurden die meisten Drogentoten in Nordrhein-Westfalen (703 Tote), Bayern (277 Tote) und Berlin (230 Tote) erfasst. - dpa