- 20 Jahre Völkermord in Srebrenica

Im Juli 1995 ermordeten bosnisch-serbische Truppen im bosnischen Srebrenica rund 8.000 Männer und Jungen. UN-Blauhelme aus den Niederlanden hatten den Angreifern die Stadt kampflos überlassen. 2009 erklärte das Europaparlament den 11. Juli zum Gedenktag für die Opfer des schwersten Kriegsverbrechens in Europa seit 1945. Westliche Staaten sollten damit auch erinnert werden, dass sie das Massaker nicht verhinderten. Am Samstag werden Politiker aus Ausland zu einer Gedenkveranstaltung erwartet, darunter der frühere US-Präsident Bill Clinton.

Im Srebrenica-Prozess vor dem UN-Tribunal in Den Haag wurden bisher 14 Angeklagte für schuldig befunden. Drei von ihnen erhielten lebenslange Haft. Ein endgültiges Urteil den erst 2011 verhafteten General Ratko Mladic wird für 2017 erwartet.

Anteilnahme auch in Deutschland

Am Donnerstag erwiesen Tausende Menschen 136 neu identifizierten Opfern des Völkermords von Srebrenica die letzte Ehre. Sie nahmen in Sarajevo mit Gebeten und Blumen Abschied von den vor 20 Jahren von serbischen Verbänden Ermordeten. Die Särge der Ermordeten waren mit Lastwagen vor das Staatspräsidium im Zentrum der Hauptstadt von Bosnien-Herzegowina gebracht werden. Am Samstag, dem 20. Jahrestag des Genozids, sollen die Opfer in der Gedenkstätte Potocari beigesetzt werden. 6.241 der über 8.000 Ermordeten fanden dort ihre letzte Ruhestätte.

Anlässlich des Jahrestags übermittelte Bundespräsident Joachim Gauck den Angehörigen seine Anteilnahme. In einem Brief an den Bürgermeister von Srebrenica, Camil Durakovic, heißt es: "Srebrenica ist das schlimmste Kriegsverbrechen in Europa seit Ende des Zweiten Weltkriegs". Seine Gedanken seien bei den Angehörigen und Freunden der Opfer. Es liege an allen, dass das Verbrechen nicht in Vergessenheit gerate.

Srebrenica heute: eine Stadt blutet aus

Vor dem Krieg (1992-1995) lebten in Srebrenica  12.000 Menschen, drei Viertel von ihnen muslimische Bosniaken. Heute sind es nach offizieller Zählung weniger als die Hälfte. Nicht mehr als 4.000 Menschen sind ständig hier, schätzen die Einheimischen. Die Mehrheit sind Serben. Das Kräfteverhältnis hat sich also von den Opfern zu den Tätern verschoben. Orthodoxe Serben und Muslime leben strikt getrennt voneinander, berichten beide Seiten.

"Die Kinder lernen schon in der Schule zwei ganz verschiedene Geschichtsversionen", klagt Sehida Abdurahmanovic. Die 60-Jährige hat im Krieg ihre halbe Verwandtschaft verloren und schloss sich dem mächtigen 'Verband der Srebrenica-Mütter' an. "Die Jungen werden schon früh zum Kirchen- und Moscheebesuch angehalten", berichtet sie.

Viel Schatten, aber auch Licht

Religion und Ideologie dienen auch heute noch als Werkzeuge der nationalen und politischen Auseinandersetzung. Die serbisch-orthodoxe Kirche und zwei Moscheen liegen in Sichtweite. In Sichtweite liegt auch eine kleine Kapellen, die Serben zurzeit unmittelbar neben der Srebrenica-Gedenkstätte in Potocari vor den Toren der Stadt errichten. Der Stifter der kitschig-bunten Kirche sieht den Bau als klares Bekenntnis für die Sache der Serben gegen die Bosniaken. Die empfinden das Gebäude als pure Provokation, weil nahe der Gedenkstätte auch mehrere Massengräber liegen.

Exhumierung von Leichen des Massakers von Srebrenica, das Serbiens Ex-Armeechef Ratko Mladic zur Last gelegt wird (Bild: DPA)Auch viele Jahre später werden immer wieder sterbliche Überreste des Massakers gefunden.

Die Stadt blutet langsam aus, weil über ihre natürlichen Ressourcen andere entscheiden. Das traditionsreiche Heilbad, einst dank vieler Kurgäste die wichtigste Einnahmequelle, ist zerstört. 80 Millionen Liter bestes Mineralwasser versickern jährlich ungenutzt im Boden. Die Nutzung der üppigen Wälder ist nach undurchsichtigen Verfahren zwielichtigen Einzelpersonen übertragen worden. Von den Konzessionsgebühren sieht die geschundene Stadt nichts.

Aber es gibt auch Lichtblicke. Die österreichische Organisation "Bauern helfen Bauern" hat in den letzten eineinhalb Jahrzehnten in Srebrenica und dem Nachbarort Bratunac 436 Holzhäuser aufgebaut. Vor drei Jahren hat sie hier auch eine Musikschule für mehr als 200 Kinder eröffnet.