- 10. Klasse Hauptschule - und nun?

Mit rund 12 Prozent liegt die Jugendarbeitslosigkeit in Berlin weit höher als in jedem anderen Bundesland, jeder Zehnte hat keinen Schulabschluss. Wird die vor zweieinhalb Jahren eingeführte Sekundarschule den Negativ-Trend stoppen? Gabriele Heuser hat nachgefragt.

15-jährige Schüler der Röntgen-Sekundarschule in Neukölln bereiten sich in einem Seminar des Lokalen Beruflichen Orientierungszentrums auf die Bewerbung um einen Ausbildungsplatz vor. Dazu hat Trainer Ingmar Seidel echte Aufgaben aus Eignungstests in Assessmentcentern an zwei Gruppen verteilt. Jeweils zehn Aufgaben sollen gelöst werden. Der Trainer beobachtet wie sich die Einzelnen beteiligen, wie sie sich selbst um das richtige Ergebnis bemühen, und wie sie die Gruppe dabei voranbringen.

Ingmar Seidel: "Das wird dann ausgewertet, dann gebe ich positive Tipps zur Verbesserung, damit sie optimale Chancen haben, wenn sie sich mal bewerben."

Das ist ein ergänzendes Seminar für besonders Interessierte als Teil des Arbeitslehreunterrichts. Im Laufe der 10. Klasse wird die Unterstützung für die Teilnehmer des LBO Seminars sehr persönlich, wenn es tatsächlich darum geht, einen Ausbildungsplatz zu finden.

Ingmar Seidel: "Sie bekommen ganz gezielte Hilfen von uns. Sie können außerhalb des Seminars Termine mit uns vereinbaren, Bewerbungen schreiben, recherchieren, telefonieren, Vorstellungsgespräche vorbereiten – so was machen wir auch alles mit denen."

Dieses zusätzliche Angebot des Lokalen Beruflichen Orientierungszentrums hat sich sehr bewährt, sagt Detlef Pawollek, der, bevor er Schulleiter der Sekundarschule wurde, jahrelang die Kurt Löwenstein Hauptschule in der Nähe vom Hermannplatz geleitet hat.

Detlef Pawollek: "Mit dieser besonderen Gruppe versuchen wir zu zeigen, dass frühzeitiger Kontakt zu Ausbildungsbetrieben das Entstehen von Ausbildungsverhältnissen für die Schüler ermöglichen kann."

Doch gerade in Bezirken wie Neukölln stößt die Schule hier an ihre Grenzen. Selbst wenn er eine optimale Lehrerausstattung hätte, wovon er im Moment weit entfernt ist, so könne die Röntgen-Schule nur versuchen, ihren Schülern Türen in die Berufswelt zu öffnen, sagt Detlef Pawollek, durchgehen müssten sie immer noch selbst. Und genau das falle vielen in seinem Bezirk schwer, da spricht er aus Erfahrung, die auch andere Schulleiter in Neukölln teilen. So sehr sich die Schulen dort auch anstrengen, den Jugendlichen etwas anderes zu vermitteln, als sie im unmittelbaren Umfeld zu Hause erleben, dringen sie damit allzu oft nicht durch.

Trotz all der unterrichtsbegleitenden Praktika, Mentorenprogramme, Netztwerkpartner oder Unternehmenkooperationen, die die Schule oragnisiert, schaffen viele an Schulen wie seiner mit über 90 % "nicht deutscher Herkunft" den Übergang in eine Berufsausbildung nicht, sagt Detlef Pawollek, weil sie in Familien aufwachsen, in denen keiner einer geregelten Arbeit nachgeht und die mit ihrer ablehnenden Haltung eine weitere Ausbildung eher behindern, oder besonders bei Mädchen sogar verbieten.

Detlef Pawollek: "Ich sehe das Problem, dass gerade bei Familien, die in zweiter oder dritter Generation von Zuwendungen leben, die Motivation, diesen Weg zu gehen, nicht vorhanden ist. Und ich denke, dass wir als Schule dringend eine Form von politischer, aber auch gesetzlicher Unterstützung für Rahmenbedingungen benötigen, so dass wir von einer Zuwendungspolitik zu einer Anreizpolitik kommen."

Solange sich in dieser Richtung nichts verändert, bleibt der Neuköllner Schulleiter skeptisch, ob die Einführung der Sekundarschule die Erwartungen erfüllt, die in sie gesetzt wurden. Momentan läßt sich noch nicht sagen, ob dadurch tatsächlich mehr Jugendliche als früher den Übergang in ein erfolgreiches Berufsleben schaffen werden.

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Ein Mädchen vor einer roten Ampel (Bild: dpa - Montage: rbb)
(Bild: dpa - Montage: rbb)

Wenn die Zukunft sitzen bleibt - Generation Schlusslicht

Noch immer hinken die Schüler in Berlin im Vergleich zu anderen Bundesländern oft ein bis zwei Jahre hinterher. Und das trotz aller Reformen, die es in den letzten Jahren gab. Das Schulsystem probiert sich weiter aus. Eine Bestandaufnahme im Inforadio.