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Eine ruhige Kugel schiebt in Brüssel niemand, hat Sabrina Wendling festgestellt: Die Politiker arbeiten sehr viel, vielleicht zu viel. Joachim Zeller ist ein Paradebeispiel dafür.
Frühstücksgespräche, Think Tanks, Sitzungen - für Joachim Zeller gibt es viele Gründe, morgens früh aufzustehen. Mir macht das frühe Aufstehen nicht so viel aus. Aber Joachim Zeller kann es gar nicht leiden. Ich lerne ihn als Nachteule kennen, die zwangsweise gleichzeitig eine Lerche ist. Nach hinten sind seine Tage meistens offen.
Seine Arbeitsstunden zählt Joachim Zeller nicht, sagt er mir. Deshalb übernehme ich das in unserer gemeinsamen Woche für ihn. Von Montag bis Freitag komme ich auf 70 Stunden. Und dann wären da noch ein paar Termine am Wochenende. Ich finde die Vorstellung gruselig, dass Joachim Zeller seit fünf Jahren - also seit er EU-Parlamentarier ist - so viel arbeitet.

70 Stunden sind das Minimum
Tatsächlich fällt mir immer wieder auf, dass die langen Arbeitstage und der kurze Schlaf mir deutlich mehr zusetzen als Joachim Zeller. Er sagt mir zwar, dass er schon ab und zu mal im Ausschuss in einen Sekundenschlaf falle. Aber ich beobachte nichts dergleichen. Zwischendurch wirkt Joachim Zeller manchmal etwas müde und abgespannt auf mich. Aber abends scheint er dann wieder putzmunter.
Ich denke an die Worte von Bettina Gerike, die von Brüssel aus seinen Terminkalender verwaltet: Man muss sehr robust sein für den Job, hat sie gesagt. Und mir versichert, dass ich eine vergleichsweise entspannte Woche mit dem EU-Parlamentarier erlebt habe.

"Ohne Politik geht die Welt nicht unter"
Joachim Zeller legt noch eine Schippe drauf. Er hätte mir gerne mehr Action geboten in unserer gemeinsamen Woche, sagt er ohne mit der Wimper zu zucken. Ich bin kurz mal sprachlos. Die ganze Zeit denke ich darüber nach, wie gesund so ein Arbeits- und Lebensstil ist. Macht Politik nicht ein Stück weit süchtig?
Joachim Zeller: "Wenn es eine Sache gibt, die einen süchtig macht, dann sollte man schleunigst in die Klinik. Das trifft auf Drogen zu genau wie auf Politik. Ich habe eine Familie, ich habe viele Freunde, so dass ich Politik zwar gerne mit Leidenschaft betreibe, aber es geht für mich die Welt nicht unter, wenn es nicht passiert."