Urbane Gartenkultur

• New York - Das Vorbild für 'urban gardening'

  Gemüse für einen wohltätigen Zweck

  Betty, von Anfang an dabei, erklärt den ausschließlich ehrenamtlichen Helfern, was sie tun sollen. Erde mischen und auswechseln, Gemüse säen, setzen und umpflanzen.

  Danielle packt seit drei Wochen mit an. Obwohl ihr erster Tag nicht gerade einladend war. Bitter kalt, ein eisiger Wind. Aber: Sie hat sich nicht abschrecken lassen: "Ich interessiere mich schon eine ganze Weile für Gärtnern in der Stadt. Ich bin vor kurzem aus Australien hierher gezogen, und habe das Projekt im Netz gefunden, fands toll - und wollte sehen, was sie machen."

  Sophia mischt Erde mit Kompost. Sie ist zum ersten Mal auf dieser kleinen Dachfarm. Vor allem, weil sie weiß, dass sie damit anderen hilft. Denn das ganze Gemüse, das hier geerntet wird, geht – jeden Samstag – an die Essenausgabe der Gemeinde für Bedürftige. Keiner der Freiwilligen nimmt etwas mit nach Hause.

  Hunderte Freiwillige halten die kleine Farm auf dem Dach Jahr für Jahr am Leben. Ernten etwa 150 Kilogramm Gemüse und Kräuter: Baslilikum, Rosmarin, Oregano, Grünkohl, Blaubeeren und Augberginen. Sophia und ihre Helfer setzen gerade - was doch gleich? Ach ja: Kirschtomaten.

  Die größte Herausforderung: Die Bewässerung

  Die größte Herausforderung für den in voller Sonne liegenden Dachgarten: die Bewässerung. Jeden Abend müssen die Freiwilligen für eine Stunde gießen - ein automatisches System wäre zu teuer. Der Garten lebt nur als Gemeinschaftsaktion, sagt Pastorin Tiffany Triplett Henkel,

  Das funktioniert: über nun fünf Jahren hinweg - genauso wie am ersten Tag. Damals ging es darum, die Erde über das enge Treppenhaus aufs Dach zu schleppen. Pastorin Tiffany Triplett Henkel startete einen Social Media Aufruf: "Es sind 60 Leute aus der ganzen Stadt gekommen und haben uns geholfen. Sie haben sieben Tonnen Erde auf das Dach gebracht. Die Treppe hoch. Mit einer Eimerkette. Das hat nur vier Stunden gedauert. Toll war das."

  Toll ist das Erlebnis Gärtnern auch für Kinder. Die Gärtner zeigen Schülern von der Grundschule bis zum Gymnasium, wie’s geht. Mit überraschenden Erkenntnissen – für die Großstädter: "Die Kinder sehen: Also da ist dieser Dreck - und da kommen Pflanzen heraus? Und die kann ich auch noch essen? Da könnten doch die Eltern oder Großeltern auch gärtnern! Das ist wirklich hilfreich und bringt viel."

• Guerilla-Gardening

  Juristische Grauzone

  Jochen: "Anarchie ist das nicht. Diese Worte kommen halt daher, weil man macht, was man will damit, und sich nicht großartig drum kümmert, ob irgendjemand was dagegen haben könnte oder es irgendwelche Vorschriften gäbe."
  
  Jakob: "Es war sehr harmlos, deswegen hab ich's auch öffentlich und mit meinem Namen gemacht, weil ich denk, was soll da schon sein? Schlimmstenfalls muss man den Baum halt wieder ausbuddeln."
  
  Ein Stück brachliegende Fläche, das der Stadt gehört, ein paar Samen, vielleicht Blumenzwiebeln, etwas Wasser aus der Gießkanne - und schon ist man Guerilla-Gärtner. Juristisch bewegt man sich in einer Grauzone: das bepflanzen von öffentlichem Raum ist im Grunde illegal, aber niemand stört sich dran, warum auch.

  "Seedbombs"

  Jochen: "Ich mach's gerne an Stellen, wo ich jeden Tag vorbeikomm' - oder öfter. Dass ich mich dann auch freuen kann, wenn ich die später wieder sehe, wenn da was passiert ist. Einfach bei diesen Bäumen, diese brachliegenden Flächen, oder auf Parkplätzen oder an Straßenecken."
  
  Guerilla-Gärtner nennen sich die Leute, die mit Blumensamen um sich streuen und mühevoll bepflanzte Baumscheiben bepflanzen, so heißt dieses Stück Erde um einen Straßenbaum herum. Es blüht und grünt in leeren Mülltonnen und ausrangierten Einkaufswagen, aus aufgehängten Milchkartons und unverbauten Rohren. Seedbombs, das sind die kleinen Ton-Erd-Kugeln mit einem Samengemisch drin, man lässt sie fallen, gießt ein bisschen, wartet ab und freut sich über das Ergebnis. Gartenfreaks basteln sie selber, aber man kann sie auch kaufen, z.b. bei Jochen von "Greenade" Seedbombs.
  
  Jochen: "Der Vorteil an den Seedbombs ist, dass die erstens schön handlich sind, dass man die auch mal irgendwohin werfen kann, wo man sonst nicht hinkommt. Zum anderen ist da alles in einem kleinen Paket bei, da ist Erde drin, bisschen Ton, der Festigkeit gibt, und auch Mineralien drinhat, die der Pflanze bisschen helfen können. Das ist eben der Vorteil gegenüber den Blumensamen, dass sie erstmal in sich funktionieren und alles dabeihaben, um so die ersten Schritte ins Leben zu finden."
  

  Guerilla Planting

  Seedbombs sind für die Hobby-Guerillagärtner, wer profimäßiger rangehen will, schließt sich den beiden Baumpflegern Christopher Linke und Jakob von Recklinghausen zum Guerilla Planting anschließen.
  
  Christopher: "Wir als Baumpfleger fällen ja auch immer einige Bäume. Und dann haben wir uns gesagt: es wär doch gut, wenn man auch mal neue Bäume pflanzt. Und dann ist Jakob mit Kollegen in den Wald gefahren, da gibt es sehr viele Bäume, die sich nicht entwickeln können. Und sind dann in kleinen Trupps losgezogen und haben die da gepflanzt, wo sich das anbot. In der Hasenheide gibt es beispielsweise einen schönen langen Mittelstreifen, wo nichts steht. Da haben wir einen Zettel drangemacht, dass der Baum hier bewusst gepflanzt wurde, dass der nicht beim nächsten Rasenmähen wieder weggemäht wird. Und jetzt sind wir sehr gespannt, wie die sich entwickeln!"

  Infos im WWW

  Mygreentown

  Ein Blog von Andrea Bangel
  

• Zur Geschichte des Kindergartens

  "Kinder sind wie kleine Pflänzchen"

  Mit einem  Morgenkreis beginnt der Tag bei den "Kleinen Füßen Naseweis" in Berlin-Friedrichshain - keine Kita, sondern ein Kindergarten! Das ist der Leiterin Cathleen Hackel wichtig: "Die Gartenidee ist insofern wichtig, als dass wir (…) die Kinder wie kleine Pflänzchen sehen, im Sinne von Friedrich Fröbel, die ganz individuell wachsen sollen, die mal ein bisschen mehr Sonne brauchen, mal ein Stöckchen brauchen zum Wachsen, mal ein bisschen mehr Wasser, mal ein bisschen weniger, also ganz individuell, so wie es auch Friedrich Fröbels Ansatz war."

  Der deutsche Pädagoge Friedrich Fröbel hat den ersten aller Kindergärten eröffnet, 1840 im thüringischen Bad Blankenburg.

  Cathleen Hackel: "Er war schon Lehrer, bevor er den Kindergarten gegründet hat. Er hatte also auch eine Schule gegründet und hat sich dann 1840 entschieden, eine Bildungs- und Erziehungsanstalt für die Kinder zu errichten. Bei einem Spaziergang durch den Wald hat er sich den Namen 'Kindergarten' ausgedacht. Weil er ein sehr, sehr naturverbundener Mensch war. Das ist das, was seine Pädagogik im Ursprung auch ausmacht. Er war der Meinung, dass die Natur und der Mensch in Einklang leben sollen und so kam er auf die Idee mit dem Garten und hat das ganze Kindergarten genannt."

  Selbstbelehrung, Selbsterziehung und Selbstbildung des Menschen

  "Kinder sind wie Blumen. Man muss sich zu ihnen niederbeugen, wenn man sie erkennen will," lautet eines der vielen Blumen und Garten-Zitate von Friedrich Fröbel. Revolutionär in einer Zeit, in der Kinder aufzuschauen hatten und auch nicht gepflegt wurden, sondern allenfalls verwahrt.
  
  "Kinderbewahranstalten" heißen die Betreuungseinrichtungen, die sich im 18. Jahrhundert entwickeln. Mit der Industrialisierung bricht die bäuerliche Großfamilie immer mehr auseinander. Viele Menschen ziehen in die Stadt. Während die Eltern in den Fabriken arbeiten, bleiben viele Kinder ohne Betreuung sich selbst oder den älteren Geschwistern überlassen. In den Kinderbewahranstalten waren sie wenigstens vor den Gefahren der Straße geschützt, es gab eine warme Mahlzeit und zumutbare hygienische Verhältnisse.
  
  Erst mit Fröbel setzt sich die Einsicht durch, dass Kinder nicht nur verwahrt werden sollten, sondern auch gefördert.

  "Das wichtige daran ist das Bild vom Kind, das Kind so anzunehmen wie es ist. Jedes Kind ist anders. Jedes Kind entwickelt sich anders und wir geben hier die Möglichkeit, sich auszuprobieren und mit allen Sinnen alles zu erfahren und zu begreifen. Also zum Beispiel ein Apfel: Den kann man riechen, den kann man schmecken, die Kerne kann man einpflanzen, es wächst ein neuer Apfelbaum im besten Fall, man kann daraus Marmelade kochen, man kann Apfeldruck machen, alles bearbeiten wir gemeinsam mit den Kindern," sagt Cathleen Hackel. Ihr Kindergarten gehört zur Fröbelgruppe. Der gemeinnützige Träger orientiert sich noch heute an Fröbels Ideen von der "Selbstbelehrung, Selbsterziehung und Selbstbildung des Menschen."
  

  So ein Kinder-Garten ist ein Abenteuer

  Freie, denkende, selbstständige Menschen wollte er erziehen, Körper, Geist und Seele gleichermaßen fördern - und all das geht am besten in einem echten Garten.

  Cathleen Hackel: "Weil der Garten notwendig ist, weil er Natur ist, zweitens Bewegungsmöglichkeiten, Auslauf haben, frei bewegen können, hangeln können, rutschen können, es sind Anregungen, die im Garten zu finden sind, Leben, Natur und Leben."

  Cathleen Hackel führt mich in einen von drei Gärten, die es bei den "Kleinen Füßen Naseweis" gibt: "Manchmal sitzen die Kinder nur vor den Blumenkübeln, schauen sich das einfach nur an, beobachten wie die Bienen rumfliegen und den Nektar sammeln und haben einfach Freude an den Farben, die Natur, das Vogelzwitschern, die Blüten jetzt, alle Bäume explodieren. Überall ist grün, sie haben wahnsinnig viele Blätter, überall ist was zu entdecken, die Vögel sind da und das finden die Kinder total schön, das ist auch wichtig für die Entwicklung.“

  Wann kommt die Schnecke aus ihrem Haus? Wie riecht die Petersilie? Und wie geht das mit der Pusteblume? So ein Kinder-Garten ist ein Abenteuer.